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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 8.1922

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VIII. 3
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Špilʹrejn, Sabina Nikolaevna: Die Entstehung der kindlichen Worte Papa und Mama: einige Betrachtungen über verschiedene Studien in der Sprachentwicklung
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https://doi.org/10.11588/diglit.28550#0359

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Die Entstehung der kindiichen Worte Papa und Mama

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Ringen zur Hilfe, indem sie die beim Kinde erblich angebahnten
spraAlidten Mechanismen durch ihre Reden und Nachahmen seitens
des Kindes zur Entwicklung anspornen,- dabei passen sich aber Mutter
und Ammen instinktiv den spraAliAen BrzeugnisbereitsAaften des
Kindes an: sie fühlen sieb in das kleine Seelchen ein und finden
das Material dazu in der Tiefe ihrer eigenen Seele vorgebildet,
in ihrem eigenen früheren Entwi&lungsstadium, das sie aus un-
bewußtem Antriebe zum Kinde sprechen lassen. Ein Beispiel möge
das Zusammenwirken von Kind und Pflegeperson bei der Sprach* *
bildung erläutern: Stern berichtet, daß sein TöchterAen mit acht
Monaten den Lippenlaut P spontan produzierte. Die Erwachsenen
halfen nach und sprachen dem Kinde x*Papa<c vor. Die Kleine
wiederholte vom Vorgesprochenen zuerst bloß den Lippenlaut x<P«,.
nach fünf bis zehn Minuten Pause sagte das Kind spontan >Pa*
pa*pa<x, natürlich ohne die Bedeutung des Gesagten zu verstehen.
Das Kind hat so rasch das Wort x>Papac sagen gelernt, weil es
dieses im spontanen Laut x-P<x vorgebildet hat/ es wiederholte
aber noch nicht aPapac, sondern ^Papapa<x, weil die BesAränkung
auf die Zweisilbenzahl seiner EntwiAlungsphase noA niAt ent*
spraA, ebenso brauAte es das Wort Papa vorläufig bloß als
Anzahl von Lallsilben ohne eigentliAe Wortbedeutung.
Eigenartig ist es, daß in der Volksmeinung stets die gleiAen
Worte, Papa und Mama, als erste kindliAe Worte gelten. Der
Lippenlaut x-P<x wird in versAiedenen SpraAen durA die ihm
genetisA verwandten Lippen- und Zahnlaute ersetzt. So heißt es
im RussisAen x-Papas, im Französisdien und DeutsAen x-Papa«,
im EnglisAen *Papac, in anderen slawisAen SpraAen »tätec,
x-tiatias, grieAisA xAaba6* usw.
Das Wort Mama bleibt siA ziemliA gleiA in allen
SpraAen. RussisA x>Mama<x, französisA x>Mamanc, deutsA
x-Mama<s, ukrainisA x-Maty<x, aber auA x-mamex, grieAisA
x>Mama<x u. dg!, m. Der Lippenlaut M sAeint niAt zu weAseln,
außer daß SpraAen existieren sollten, wo die RiAtung eine ent*
gegengesetzte wäre, d. h. wo wir statt 3>Mama<x x>amam<x hätten
Sind Papa und Mama wirkliA die ersten Worte bei allen
Kindern? Diese Frage ist sehr sAwer zu beantworten, weil bei
* Bei ailen etwas kompilierter aussehenden Worten, wie z. B. batjka usw.
müssen wir stets daran denken, daß es nicht die erste Form sein wird, weiche
das Kind braucht.
* Die phonetische Seite berücksichtige ich an weiterer Stehe.
 
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