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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 8.1922

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VIII. 4
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Radó, Sándor: Die Wege der Naturforschung im Lichte der Psychoanalyse
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https://doi.org/10.11588/diglit.28550#0414

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Dr. Sändor Rado

Beri&t könnte Sie zu einem naheliegenden Mißverständnis ver=*
ieiten. Vielleicht halten Sie mir vor, ich hätte da etwas voreilig
über den Determinismus geurteilt. Wenn auch das neue Verfahren
gestattet, Gesetzmäßigkeiten im Ablauf der Erscheinungen fest-
zustellen, dann hat eben die alte Methode und nicht das Kausa-
litätsprinzip versagt. Dieser Einwand wäre aber verfehlt, da
Gesetzmäßigkeit nicht mit Determinismus identisch ist, wie es z. B.
Helmholz meinte und heute noch vielfaA behauptet wirdF Wir
haben uns nur die tiefgehenden Unterschiede kausaler und stati-
stischer Gesetzmäßigkeiten zu vergegenwärtigen und werden gleich
volle Klarheit in dieser Frage gewinnen.
Die deterministische Betrachtung faßt immer den Einzeln
Vorgang ins Auge, und das deterministische Gesetz legt den ganzen
räum!ich=-zeitlichen Ablauf einer Erscheinung eindeutig fest. Haben
wir z. B. gefunden, daß bei den Gravitationserscheinungen das
Newtonsche Gesetz innerhalb einer bestimmten Genauigkeits-
grenze gültig ist, so erscheinen dadurch die untersuchten Vorgänge
na& allen Richtungen bestimmt und wir dürfen in jedem weiteren
Falle das nämliche Verhalten erwarten, wo schwere Massen auf
einander einwirken.
Ganz anders verhält es sich mit den statistischen Gesetz^
mäßigkeiten. Für die Statistik, mag sie sich auf Atome und Mo!e=-
kule, grobsinnlich wahrnehmbare Massen oder Lebewesen beziehen,
verschwindet das Einzelne, die statistische Betrachtung sieht immer
eine Gesamtheit von Erscheinungen, die sie unter dem empirischen
Gesichtspunkte der Gleichartigkeit zusammenfaßt. Wir können
daher einer statistisdien Gesetzmäßigkeit nichts über das Einzeln
ereignis entnehmen, und von der Gesamtheit der Erscheinungen
gibt sie uns auch nur die relative Häufigkeit der mögliAen Aus-
gänge an. Über die Einzelvorgänge am Galtonschen Brett werden
Sie also durch die Verteilungsfunktion von Gauß nicht aufgeklärt,
jedes Scheibchen beschreibt eine Bahn, die von der des anderen
räumlich und zeitlich ganz unabhängig ist, und wir wissen nidit,
welche Bahn ein gegebenes Scheibchen einschlagen wird. Die Forme!

i Helmholz — 1881 — (nach Bxner, !. c.): >Ich habe mir erst später Mar-
gemacht, daß das Prinzip der Kausalität in der Tat nichts anderes ist, als die
Voraussetzung der Gesetzlichkeit aller Naturerscheinungen.-: M. Schlick —
1920 — (1. cO: >Die Behauptung der durchgehenden Bestimmtheit der Eretg"
nisse, welche das Kausalprinzip ausspricht, ist daher identisch mit der Behauptung
des durchgehenden Bestehens von Naturgesetzen.^
 
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