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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 8.1922

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VIII. 4
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Winterstein, Alfred von: Zur Entstehungsgeschichte der griechischen Tragödie
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https://doi.org/10.11588/diglit.28550#0515

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Zur Entstehungsgeschichte der griechischen Tragödie

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ja die traditionelle Epiphanie am Schlüsse der x-heiligen Handlung^
erfährt bei ihm eine eigenartige Ausgestaltung und Medianisierung
in dem oft berufenen x>Deus ex machina<K. Dieser Gott — oft ist
es eine Göttin — hat die Aufgabe, eine allgemeine Versöhnung
zwis&en Göttern und Menschen herbeizuführen, das dramatische
Spiel als Darstellung des Aition eines bestimmten rituellen
Brauches zu erklären und die zukünftigen Geschicke der handeln-
den Charaktere zu verkündigen.* Wir sehen hier, wie die rituelle
Auferstehung des getöteten Sohnes in der völligen Identifikation
mit dem allwissenden, allmächtigen Vatergott, dessen Stelle der
Sohn nun einnimmt, wiederkehrt,- auch die versöhnliche SAluß^
Stimmung, deren Voraussetzung die Identifikation mit dem Vater
ist, gemahnt an die ursprüngliche Peripetie von Beweinung zu
Freude.
Wenn in einer Reihe von Dramen des Euripides statt des
Gottes eine Göttin erscheint, um den Kult des Helden einzu^
riditen oder ihm Unsterblichkeit zuzusichern, so verbirgt sich hinter
dieser Mutterfigur der Sohn, der aus der Mutter wiedergeboren
wird.s Wir dürfen es als ein Kompromiß zwischen Sühnebedürfnis
und Sohnestrotz ansehen, daß in der Theophanie an Stelle des
Sohnes eine (affektiv gleichwertige) Deckfigur auftrittH

* Vgh Murray Sei Harrison: Themis. S. 351.
s Während am Schtusse des Dramas x-Hippoiytos« die Epiphanie der
Artemis, der Beschützerin des getöteten Heiden, statthndet, feiert in der Legende
Hippoiytos seihst seine Auferstehung.
^ Der mütteriiehe Charakter der Göttinnen ist im ^Rhesus« des Euripides
deutiieh erkennbar. Dort erscheint die Muse, die Mutter des Rhesus, beweint
ihren Sohn und setzt seinen Kuit ais den eines sAnthropodaimon* ein. Auch
im *Memnon<c des Äschyios geht die Göttin Eos, Mutter des von Achiii
erschiagenen Memnon, zu Zeus und eriangt für ihn die Gabe der Hnsterbiichkeit.
Das Fragment schiießt mit einer Epiphanie der Eos.
 
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