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Imago: Zeitschrift für Anwendung der Psychoanalyse auf die Geisteswissenschaften — 8.1922

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VIII. 3
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Lorenz, Emil: Der Mythus der Erde
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https://doi.org/10.11588/diglit.28550#0274

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264

Dr. Emil Lorenz


Ein anderer biblischer Anklang ist enthalten in Sprüdie 8, 22 ff.
Hier spricht die ^Weisheit<K (hokma) in jenem Absdmitt, der ein
allerdings relativ spätes, vielleidht schon philosophisch beeinflußtes
Weltschöpfungsmotiv enthält.
Jahwe schuf mich als den Anfang seiner Wege,
als erstes seiner Werke vorlängst.
Von Ewigkeit her bin ich eingesetzt,
zu Anbeginn, seit dem Ursprung der Erde.
Als die UrHuten noch nicht waren, wurde ich geboren, als es noch keine
Quellen gab, reich an Wasser.
Ehe die Berge eingesenkt waren, vor den Hügeln wurde ich geboren,
ehe er noch Land und Fluren geschaffen hatte und die Masse der Scholien
des Erdkreises.
Als er den Himmel herstellte, war ich dabei, als er die Wölbung über
dem Ozean festsetzte,
als er dieWolken droben befestigte, als die Quellen des Ozeans mächtig wurden
als er dem Meer seine Schranke setzte, daß die Wasser seinen Befehl nidit
überschreiten durften / als er die Grundfesten der Erde feststelite:
Da war ich ihm als Werkmeisterin zur Seite,- da war ich {ganz) Entzüdcen
Tag für Tag, spielend geschäftig vor ihm zu jeder Zeit,
spielend auf seinem Erdenrund und hatte mein Entzücken bei den Menschen^-
hindern L
Für unseren Zusammenhang kommt es weniger in Betracht,
ob hier altes mythis&es Gut verborgen liegt oder spätere Speku--
lation. Tatsache ist, daß hier zwischen der extrem mütterlich ge-
ri&teten x>Hertka<K Swinburnes und der männlichen Tendenz des
Psalms 90 eine Vermittlung vorliegt in Gestalt des weiblichen ersten
Geschöpfes Jahwes, die als x>Werkmeisterin^ eine Abspaltung der
Persönlichkeit Jahwes selber ist.
Die einleitenden Strophen 1—3 bringen die ewige Präexistenz
der mütterlichen Potenz zum Ausdrude, Strophe 4 — 8 zeichnen in
immer neuen, sidt übersteigernden Bildern den Zustand der In-
differenz zwischen Subjekt und Objekt, der diesseits der IndE
viduation liegt, die mit der Trennung von der Mutter ihren Anfang
nimmt. Im besonderen wäre hier hinzuweisen auf eine Bemerkung
beiLevy^Bruhl: Das Denken der Naturvölker h der (S. 26) folgendes
schreibt:

* Nach Alfred Jeremias: Das alte Testament und der alte Orient. 2. Aufl.
Leipzig 1906.
2 Deutsch herausgegeben von Wilhelm Jerusalem. Wien und Leipzig 1921.
 
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