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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 12.1901

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Schmidkunz, Hans: Zur Aesthetik der Wohnung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6714#0110

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Mai-Heft.

Illustr. kunstgewerbl.

Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 91.

stehen hier in jenen Verbindungslinien der Tisch und seine
Stühle jedem kürzesten Zimmerschritt im Wege. Bleibt
zwischen ihnen und den Wänden in Summa auch noch so
viel Platz übrig, so ist dieser doch nirgends so zusammen-
gefasst, dass er ein freieres Hin und Her sich entfalten Hesse
und damit eine Anpassung der Gegenstände an dieses ermög-
lichte; sind sie ja ohnehin bereits durch die Gebote der Zimmer-
Geometrie fertig angeordnet und zum Teil auch schon in
ihrer besonderen Formen-Gebung von vornherein bestimmt.

Ein Hinausgreifen über diese Verhältnisse wird freilich
nicht nur durch derartigen Geschmackszwang verwehrt, son-
dern auch durch die Engräumigkeit der Wohnungen, also
durch ein soziales Uebel, das freilich durch eine ästhetisch
verfehlte Bau-Anlage der Stadt überhaupt begünstigt wird.
Aber selbst die engen Räume werden nicht etwa durch ihre
Gestaltung zu dem künstlerischen Schein einer Erweiterung
erhoben — dem bekannten Kunstgriff zumal der Barocke in
ihren Palast-Anlagen —; vielmehr wird alles gethan, um sie
noch enger scheinen zu lassen. Auch hier ist wieder die
Betonung der Mitte der entscheidende Kunstgriff. Denn
wer, z. B. als eben durch die Thüre Eintretender, in der Mitte
einer Wand steht; wer auf dem Sofa in einer solchen Mitte
sitzt; und gar erst wer sich am Mitteltisch befindet, hat durch
den ihm aufgedrängten Blick nach der gegenüberliegenden
Wand- oder Zimmer-Mitte den kürzesten Blick durch den
Raum, und er stösst nun auf eine Geometrie, gleich der, die
seinen eigenen Stand bestimmt. Die Horizont-Ebene des
Zimmers ist in vier ihrer Begrenzung ähnliche Rechtecke

zerlegt, deren Seiten dem Auge des Beschauers die haupt-
sächlichsten Prospektlinien des Zimmers darbieten.

Nun gibt es eine einfache Beobachtung, die anschaulich
den Gegensatz zwischen diesem geometrischen Zwang und
einer ihn überwindenden, wenn auch vorerst noch geringen
Freiheit vor Augen führt. Man vergleiche die Prospekte, die
man von einer jener Wand-Mitten aus oder gar von der
Zimmer-Mitte aus gewinnt, mit den Prospekten, die sich einem
von einer der Zimmer-Ecken aus eröffnen. Der mittlerste
von ihnen ist der die Diagonale entlang zur gegenüber-
liegenden Ecke führende. In ihm erscheint sofort die geo-
metrische Starrheit der rechtwinkelig gelegten Prospekte
gebrochen, die Gegenstände nehmen den Schein einer freieren
Gruppierung an, und der Blick streift über mehr und streift
weiter als vorhin. Allerdings lässt eine typische Zimmer-
Geometrie solche Prospekte nicht bequem zu. Denn erstens
bietet sie ihre Ecken nicht gerne dem Leben dar, sondern
tötet sie durch Ausfüllung mit rein füllenden Gegenständen,
bestenfalls mit einem Ofen. Und zweitens: hat man glück-
licherweise doch annähernd ein Eckplätzchen gefunden, so
stellt sich dem Diagonal-Blick all das in den Weg, was eben
die Mitte des Zimmers verstellt. Was hier trotzdem noch zu
schauen und zu vergleichen bleibt, wird freilich belehrend
genug sein. Und wendet man dann langsam den Blick von
der gegenüberliegenden Ecke seitwärts immer weiter, bis er
der Wand, an deren Beginn man postiert ist, parallel läuft, so
gewährt er den Eindruck eines allmählichen Ueberganges von
der Mannigfaltigkeit zur Einförmigkeit, bis er, die geradlinig

Abel Landry , Paris.

Damen-Toilettetisch (geschlossen).

Aus »La Maison Moderne«, Paris.
 
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