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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 12.1901

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Schmidkunz, Hans: Zur Aesthetik der Wohnung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6714#0112

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XII. Jahrg. 1901.

Darmstadt.

Juni-Heft.

2ur Aesthetik per Wohnung.

Von Dr. Hans Schmidktjnz—Berlin-Halensee.

(Schluss.)

Johl aber bleibt noch übrig die Aus-
gestaltung des gesamten Raumes durch
die Anordnung der Möbel und alles dessen,
was sonst eine Wohnungs-Einrichtung
ausmacht. Als eine Art Muster dafür ist
bereits früher auf die durchschnittlichen
Einrichtungen der Küchen hingewiesen
worden. Hier besteht vor allem eine solche Anpassung der
Einrichtungsstücke und ihrer Ordnung an den Bedarf, wie
sie in unseren, selten von Künstelung ganz freien, Zimmern
bisher kaum jemals vorkommt. Hier wird auch schwerlich
eine Versuchung zu einem über den Bedarf hinausgehenden
Aufwand eintreten. Hier ist auch schon jetzt thatsächlich am
ehesten jener Eindruck der Harmonie zwischen Bestimmung
und Form erreicht, der das Gefühl einer wohlthuenden Befrie-
digung erzeugt. Kenner werden wahrscheinlich herausfinden,
dass hier auch nationale Verschiedenheiten sich verhältnis-
mässig am deutlichsten verraten. Im Uebrigen werden sich
diese und hiermit ein heimischer Karakter der Wohnungs-
Einrichtung dann von selber einstellen, wenn eben unsere
Lebensformen in den Einrichtungsformen zum angemessensten
Ausdruck gelangen. Das Bestellen englischer oder deutscher
oder französischer Möbel thut's noch nicht; schon weil mit
dem Bestellen allein niemals solche Eigenarten von Möbeln
entstanden wären. Es bedarf da eigener That!

Denn überhaupt folgt aus unserer ganzen Erörterung
auch dies, dass keine Wohnungsform wahrhaft schön sein
kann, die nicht eine Sache des natürlichen Werdens ist. Alles
Gekünstelte — und hiermit auch alles sprunghaft Forcierte,
im Augenblick Hergeschaffte — ist unkünstlerisch; alles
Isolierte, alles nicht Wahrhafte ist es ebenfalls. Dies gilt nach

zwei Richtungen: phylogenetisch und ontogenetisch, wie die
Biologen sagen. Erstens wollen ebenso wie unsere Lebens-
formen auch die sie ausprägenden Kunstformen eine Ent-
wickelung in der Geschichte der Menschengeschlechter haben,
mögen auch übermächtige künstlerische Persönlichkeiten diese
Evolution noch so erfolgreich beschleunigen. »Stile« lassen
sich nicht ersinnen, sie wollen wachsen; und wird ihr Wachs-
tum erzwungen, so hält es am wenigsten vor. Zweitens kann
auch das einzelne kunstbedürftige Individuum nicht zaubern.
Die Hinaus-Projizierung seines gesamten Lebens in seine
Umgebung, hier also in seine Wohnungsformen, vermag
ebenfalls nur in einem Entwickelungs-Prozess zu geschehen.
Je natürlicher dieser abläuft, zu desto Naturgemässerem führt
er. Wie die gewordene Stadt im Ganzen schöner ist als die
gegründete, so sind auch die allmählich gewordenen Woh-
nungs - Einrichtungen insofern die schönsten, als trotz aller
Verschiedenheiten ihrer einzelnen Stücke doch am meisten
der einheitliche Geist in ihnen waltet, der gerade aus der
Uebereinstimmung des persönlichen Lebens und seiner Aus-
prägung in Wohn-Gestalten entspringt. Hier wird sogar die
Uebereinstimmung zwischen den materiellen Mitteln des Ein-
zelnen und seinem Aufwand verhältnismässig am engsten
sein, und hier wird der Luxus im schlimmen Sinn des Wortes
am fernsten bleiben. Und hier wird endlich »Stil« am ehesten,
wenn auch nicht in Vollendung, so doch wenigstens in all-
mählicher Anbahnung vorhanden sein.

Es steckt freilich in all dem Gesagten eine idealistische
Höhe, unter der die Wirklichkeit ganz anders spricht; und
der Satz: »Doch hart im Räume stossen sich die Sachen«,
ergänzt nicht irgendwo so buchstäblich wie hier den anderen
von den leicht bei einander wohnenden Gedanken. »Unsere

1901. vi. i.
 
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