Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 12.1901

DOI article:
Schmidkunz, Hans: Zur Aesthetik der Wohnung, [2]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6714#0118

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Seite 98.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Juni-Heft.

H. E. Beflepsch-Valendas. Treppe mit Licht-Träger.

Aus der Villa Tobler in Zürich.

strebsame Kunstgewerbetreibende, ja Jeder, der mit der Kunst
in Fühlung steht, Recht geben, dass den Bestrebungen der
Schaffenden dadurch ein grosser, wenn nicht der grösste
Widerstand erwächst, dass es der Mehrzahl der Gebildeten
so sehr schwer fällt, sich mit der Kunst auseinandersetzen
und sich ein selbständiges Urteil anzueignen. Hier ist eine
grosse Lücke im Lehrplane der höheren Schulen und die
muss ausgefüllt werden, unbeschadet der unerlässlichen Ein-
führung in das Verständnis der Antike und der anderen
Kultur-Perioden, die als Höhepunkte der Entwickelung mensch-
lichen Geisteslebens anzusehen sind. Pädagogisch bequemer
ist's ja, aus der Vergangenheit zu lehren. — Die Universitäten
und technischen Hochschulen haben teilweise diesen Forde-
rungen schon Rechnung zu tragen gesucht; dagegen scheint
man auf den Gymnasien, Real-Gymnasien, Real- und höheren
Töchter-Schulen, sowie auf den Seminarien sich noch kaum
mit dieser wichtigen Aufgabe befasst zu haben.

Die Haupt-Einwendung, auf welche unsere Vorschläge
stossen werden, dürfte die sein, dass der Lehrplan eine weitere
Belastung nicht mehr gestatte. Allein muss deshalb die
bildende Kunst gleich ganz aus der Schule verbannt werden?
Es kann sich doch nicht um eine methodisch - historische
Behandlung des sich noch in rascher Entwickelung befind-
lichen Schaffens handeln: nur Anregungen sollen gegeben

werden, welche die Schüler und Schülerinnen der obersten
Klassen mit freudiger Teilnahme erfüllen. Da wäre durchaus
genügend, wenn vielleicht eine einzige Stunde in der Woche
dazu benützt würde. Beim Zeichen-Unterricht, bei der Stellung
der Themata für den deutschen Aufsatz z. B. ergibt sich ganz
ungezwungen die Gelegenheit, die Schöpfungen der Gegen-
wart in den Gesichtskreis einzuführen. Hierzu braucht man
weder Lehrbücher, noch einen bestimmt vorgeschriebenen
Unterrichts-Plan. Es genügt vollständig, wenn der betreffende
Lehrer von Zeit zu Zeit mit seiner Klasse eine Ausstellung,
ein Museum, ein Kupferstich-Kabinet besucht und mit den
Schülern zwanglos bald über die Gemälde und Skulpturen,
bald über die kunstgewerblichen Erzeugnisse und graphischen
Blätter plaudert. Insbesondere kann aber hier der Zeichen-
lehrer viel Gutes wirken, indem er z. B. die Publikationen
mitbringt, in denen sich das Schaffen der Gegenwart spiegelt.
Er lasse die Hefte einer Zeitschrift zirkulieren, spreche sein
Urteil aus über die einzelnen Darstellungen und fordere die
Schüler heraus, auch ihrerseits Ansichten zu äussern und zu
begründen. Es wäre also ganz überflüssig, diese Themata in
den spanischen Stiefel der Unterrichts-Schablone zu schnüren
— das könnte den Schülern die Freude an der Sache eher
verderben — nur eine ganz natürliche, zwanglose aber frische
und anregende Behandlung der künstlerischen Zeitfragen, etwa
an der Hand der vorhandenen Litteratur, und es ist genug
geschehen, namentlich wenn vielleicht zweimal monatlich Rund-
gänge durch Sammlungen und Ausstellungen stattfinden. —
Aber vielleicht werden aus Lehrer-Kreisen in dieser Hinsicht
noch ganz andere und zweckdienlichere Vorschläge gemacht
werden können, als wir hier (vom Standpunkte der schaffenden
Kunst aus) anzuregen in der Lage sind. Finden sich doch
gerade unter den Lehrern der höheren Schulen besonders
viele Persönlichkeiten, welche ein künstlerisches Empfinden
besitzen und der grossen modernen Entwickelung mit Ver-

H. E. Berlepsch-Valendas. Thüre aus der Villa Tobler.
 
Annotationen