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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 12.1901

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Zimmermann, Ernst: Altes und neues Porzellan und sein Stil
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https://doi.org/10.11588/diglit.6714#0165

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Seite 140.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

August-Heft.

Architekt Hans Schlicht, Dresden.

Wettbewerb: Wohnhaus eines Kunst-Freundes. Aus der engeren Wahl: Motto »Neidhammel«. Speise-Zimmer.

Altes unp neues PorzeliäN unp sein Stil.

Es ist ein eigenartiger Weg, den die moderne Keramik
eingeschlagen. Sie hat mit dem Luxus angefangen und
das eigentliche Bedürfnis bei Seite gelassen. Sie hat sich
zunächst auf ein längst überholtes Material, das Steinzeug
gestützt und den edelsten Stoff der Keramik, das Porzellan,
dessen europäische Nacherfindung immer als einen der grössten
Triumphe deutscher Technik gegolten hat, so gut wie ganz
ignoriert. Was ist das Resultat? Wir besitzen jetzt eine
keramische Kunst für alle möglichen sekundären Neigungen,
nirgends aber schon eine brauchbare der Alltagsbedürfnisse.
Wir haben künstlerisch befriedigende Blumen-Vasen, dekora-
tive Setzstücke u. dergl. in Hülle und Fülle, ja mehr als
genug, aber noch kaum ein künstlerisch befriedigendes Kaffee-
oder Speise-Service und sind daher auf diesem Hauptgebiete
der Keramik noch immer auf die Kunst des eben vergangenen
Jahrhunderts angewiesen, bei deren Anblick aber nicht nur dem
Feinschmecker gar leicht jeder Appetit vergehen dürfte.

Wie anders in den früheren Zeiten, da eine unmanierierte
Naivität noch ihre wahren Bedürfnisse kannte! Man gehe
einmal in eine der vielen keramischen Abteilungen unserer
Kunstgewerbe-Museen, die doch zu solchen Zwecken angelegt
sind, und zähle nach, auf wie viele unmittelbare Bedürfnis-
Erzeugnisse hier ein Kind des Luxus kommt. Erstaunlich
wenige,, wenn man absieht von der nach Europa in früheren
Zeiten importierten ostasiatischen Keramik, die, weil sich
eben ostasiatisches mit europäischem Bedürfnis nicht deckten,
allerdings nach letzterer Richtung eine stark einseitige Aus-

wahl aufweist. Im Uebrigen wird man immer und mit dem
vollsten Kunstaufwand an erster Stelle Geschirre, wie Krüge,
Tassen, Teller, Terrinen usw. finden, dann erst die Vase oder
das dekorative Setzstück für den Kamin, das meistens seine
Anregung auch erst der ostasiatischen Keramik verdankt.
Und doch hat man dabei noch zu bedenken, wie viel von
jenem Gebrauchsgeschirr gegenüber dem Luxusgerät gerade
der Gebrauch im Laufe der Zeiten zu Grunde gerichtet hat.

Die Pariser Welt - Ausstellung hat erfreulicher Weise
gezeigt, dass hier eine Besserung im Anzüge ist, wenn auch
noch schüchtern und unbestimmt. Man scheint zum edlen,
durch so viele Vorzüge ausgezeichneten Porzellan zurück-
kehren und gleichzeitig der alltäglichen Bedürfnisse sich wieder
erbarmen zu wollen. Man hat Gebrauchs-Geschirre gesehen
bei Sevres, Limoges, Kopenhagen, Haag; auch Münchener
Arbeiten dieser Art waren vertreten. Am entschlossensten
von allen jedoch hat Bing in Paris in seinem Art nouveau
begonnen: er schickt sich an, aus Porzellan und Glas aus-
schliesslich Gebrauchs - Artikel herzustellen, die in gleicher
Weise durch dezenten Geschmack, wie billige Preise gefallen.
Damit dürfte er von sämtlichen Keramikern der einzige sein,
der gleich den richtigen Weg eingeschlagen, wenn er ja
freilich von jenen, die ihm vorangegangen, in dieser Be-
ziehung gelernt hat; aber es steht stark zu hoffen, dass nun
auch jene anderen und wer sonst noch den Sprung ins
Moderne wagt, ihm recht bald folgen werden. Denn es kann
ja keine Frage sein, dass Bedürfnis-Sachen eben Bedürfnisse
 
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