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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 12.1901

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Neues vom Wiener Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.6714#0171

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August-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 145.

praktischen Modelle sähe er am liebsten als Klein - Kinderspielzeug verwendet.
Die Schatten brauchen hier nicht erst lang konstruiert zu werden, weil sie sich
gehorsam ganz von selbst konstruieren. Unser alter herrlicher Dürer hätte seine
helle Freude an den klugen Spässen des Professors Kajetan. Hier ist wirklich
eine der trockensten Disziplinen, eine bei den Lernenden als schwierig und lang-
weilig verschrieene, zur anregenden geworden. Ebenso munter wird bei dem
Keramiker Professor Hans Macht verfahren; der Meister lässt die Entwürfe seiner
Schüler für Gläser und Töpfe nicht etwa erst auf Papier skizzieren. Hier würden
die Formen doch nicht so unmittelbar zum Ausdruck gelangen; um optische
Täuschungen zu vermeiden, muss Alles gleich auf der Drehbank gedrechselt werden.
Am Holzmodell merkt man dann viel besser und rascher die verfehlte Form.
Macht lässt seine Leute ohne Töpferscheibe mit der freien Hand ihre Gefässe
modellieren und diese sofort auf dem Gasofen im Unterrichts- Zimmer, also ohne
besondere Betriebs - Anlagen, brennen; dann wird gleich glasiert. Auch die
emaillierten Kupfer-Gefässe werden ebenso rasch hergestellt, und die Fliesen,
glasierten Kacheln mitten im Schul-Zimmer. Wenn so ein junges Anfängerlein
sieht, wie es das alles selbst und ganz alleinig mit fünf Fingern zuwege bringt,
bekommt es erst das rechte Zutrauen zu sich selbst und die stolze Freude an der
Arbeit. Dass aber dieses Zutrauen und
Selbstbewusstsein sich nicht allzusehr
festsetze und lächerliche, schädliche For-
men annehme, dafür ist der Professor
Alfred Roller da, einer der merkwür-
digsten und interessantesten Lehrer der
Anstalt. Roller gestattet nicht, dass seine
Schüler ihre Studien, Entwürfe und Skizzen
sorglich aufbewahren, lässt auch ihre
Thon-Modelle nicht in Gips giessen; das
wird alles zerstört, vernichtet, fortgewor-
fen. Dieses Verfahren bewahrt die jungen
Leute vor ungehörigem Eigendünkel, vor
Selbstüberschätzung und macht sie doch
andererseits nicht kleinmütig, denn sie
sollen denken: »Wozu muss ich das
dumme Zeug aufbewahren, da ich doch
die Fähigkeit in mir besitze, es mir im
Bedarfsfalle leicht wiederherstellen zu

Tapeten von Bernh. Pankok. Ausgeführt von der
I.üneburger Tapetenfabrik Kriedr. Enkhausen.

können!« Alfred Roller ist ein ausser-
ordentlicher Lehrer, der die Schüler, die
sich ihm anvertrauen, sehr rasch über
das Technische hinüberbringt. Allerdings
nicht ganz schmerzlos. Ein angenehmer
Lehrer ist er nicht; bei ihm wird gear-
beitet bis zur Erschöpfung, und er scheint
von den Japanern am meisten angezogen
zu haben. Da lässt er ein Kaninchen in
die Schulstube kommen. Das wird von
jedem Schüler etwa sechzig- bis achtzig-
mal abgezeichnet auf demselben Blatte.
Mit einem kleinen Singvogel wird es
ebenso gemacht und an einem Truthahn
studiert ein Roller-Schüler gleich ein
paar Wochen, denn er muss lernen »die
äussere Erscheinung in die Formen-
sprache fast jedes Materials zu über-
tragen«. Der Puter wird schwarz auf
weiss gepinselt, dann für die Schablone
bearbeitet, weiss ausgespart auf schwarzem Grund, auch für Kreuzstich zu sticken
vorgerichtet, als Plakat gezeichnet. Haben die Schüler sich stumpf gesehen, so
werden sie eingeladen, das Tier mit drei oder vier Schattenklexen hinzustellen.
Mit ein bischen garnichts wird dann gearbeitet und das muss vollauf genügen.

Interessant sind auch die Studien nach dem bewegten Modell, wie Roller sie
einführte. Der Schüler arbeitet gleichzeitig an zwei oder drei Aufnahmen. Er
modelliert und malt, oder er malt und zeichnet. Blumen lässt Roller immer
kolossal vergrössern und Schmetterlingsflügel bis auf einen Meter Länge. Die
letzteren werden dann auch noch in Oel gemalt. Die Schüler bereiten sich ihre
Oel-Tempera-Gouache- und Leimfarben alle selbst, so wie einst bei den alten
Meistern. Es werden auch lebensgrosse Akte gezeichnet, unglaublich viel.
Korrigiert Einer gar zu sehr daran herum, so bekommt er fette Kreide in die
Hand, die nicht fortzuwischen geht, und muss dann sehen, wie er damit zu Stande
kommt. Roller ist erst ein Jahr lang Lehrer und hat schon prächtige Erfolge.
Dabei ist er weder mit sich noch mit seinem Volk zufrieden. Zu dem Reizendsten,
was bei ihm gemacht wurde, gehören die kleinen Moment-Aufnahmen aus dem
Hühnerhof; seine Zöglinge werden eben von ihm ausgerüstet, den Augenblick
hurtig zu erhaschen, das bewegt Lebendige. — Die Ausstellung der Schule des
Professors Kolo Moser befremdet durch affektierte Apartheit. Moser ist ein noch
 
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