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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 12.1901

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Neues vom Wiener Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.6714#0172

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Seite 146.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

August-Heft.

sehr junger Künstler, erfindungsreich, witzig, aber von etwas
forciertem Geschmack. Ihn zum Lehrer zu nehmen, ist für
den Anfänger so gefährlich, als sich von Peter Altenberg
oder Paul Scheerbart in die Geheimnisse des deutschen Stils
einführen zu lassen. Bei Moser werden recht tolle Sachen
geleistet und mit einem gewissen Selbstbewusstsein. Jedes
Ding trägt gleichsam die Marke: »Ich weiss, dass ich Euch
nicht gefalle, aber das ist meine Absicht. Ich wünsche zu
verblüffen und zu ärgern«. Da sind Gefässe mit Blechkragen;
Eingiessen oder Ausgiessen ist unmöglich , das Ding in die
Hand zu nehmen ebenfalls, so ist es vergittert und umstrickt.

Von den Interieurs wäre kurz zu vermelden, dass sich
hier insbesondere die Schule des Architekten Josef Hoffmann
auszeichnet, welche vornehmlich zwei junge Leute ins Vorder-
treffen stellt, die etwas für die Zukunft verheissen: Franz
Messner und Wilhelm Schmidt. Des ersteren Kinder-Zimmer
ist zwar traurig, düster und schwer, das Bett mehr Käfig für
ein kleines Raubtier; die ganze Stube fürchterlich massiv und
das Holz hat den Ton von altem Eisen. Talent steckt aber
doch in der Sache und eine wuchtige Eigenart. Leider passt
das nicht für einen der heiteren Jugend bestimmten Spiel-
raum. Wilhelm Schmidt's Kanzlei oder Registratur aus
rotem Rustenholz ist keine Schüler-Arbeit mehr, sondern mit
reifem und sicherem Verständnis, klug und ernsthaft disponiert.
Dafür ist das Mädchen-Schlafzimmer von demselben Herrn
weit weniger gelungen und namentlich der Wasch-Tisch ver-
unglückt. In der Schule des Professors Stefan Schwarlz, wo
Ciselierkunst getrieben wird, sind manche feine Metall-Arbeiten
zu sehen und in der Fachschule von F. Matsch wird allerlei
dekorative Kunst mit vielem Geschmack geübt. Beim Direktor
Myrbach kultivieren die Zöglinge hauptsächlich das Plakat,
die Litho- und die Algraphie (den Aluminium-Druck).

Die Prager Kunstgewerbeschule bietet manches Tüchtige
und Redliche, Anerkennenswerte und Schätzbare, steht aber
doch hinter den glänzenden Leistungen der eminent modernen
Wiener Schule zurück. Die Böhmen, die immer ihre Natio-
nalität so stark betonen, lassen sie gerade hier vermissen. Der
volkstümlich karakteristische Einschlag fehlt fast gänzlich.

Im Säulenhofe des Museums hat der berühmte Pariser
Keramiker Edmond Lachenal eine grosse Ausstellung seiner
Kunst-Töpfereien, Gres und Fayencen. Die Sammlung, die
das Lebenswerk des Künstlers in allen Phasen darstellt, fand
allgemeine Anerkennung. Lachenal weiss und kann sehr
viel. Das Scharffeuer gehorcht willig seinem Befehl und
seine Lüsterfarben sind vom feinsten Reiz: submarines Grün
und Blau, moroses Gelb und Braun und ein Ochsenblutrot
von durchschlagender Leuchtkraft. Die Formen der Gefässe
bewahren Feinheit im Derben und Massigen; sie wechseln
in reichster Mannigfaltigkeit ab. — Mit Lachenal schritt ich
durch die Säle der Kunstgewerbe-Ausstellung. Der Meister
war entzückt und aufgeräumt, und seine freudige Anerken-
nung weit mehr als liebenswürdige Schmeichelei eines nach-
sichtigen Gastes. »Eure jungen Leute sind auf gutem Wege«,
rief er ein über das andere Mal aus, »sie könnten auf gar
keinem besseren Wege sein, eure jungen Leute!« ....

Dr. D. Greiner's Reform des Zeichen-Unterrichts.

Die kürzlich erschienene Broschüre von Dr. D. Greiner,
Darmstadt, (»Sachliche Besprechung eines Lehrplanes für
den Zeichen-Unterricht an den Volks-Schulen«), verdient allge-
meine Anerkennung. Der vortreffliche Grundgedanke, von dem
der Verfasser ausgeht, ist der, das Kind in seiner frühesten
Jugend an der Natur zu bilden, um es später für alles Schöne
empfänglich zu machen. Ueber dieses Ziel seiner Bestrebungen

spricht sich der Verfasser mit klaren Worten auch in dem hess.
Schulboten »Zeichensprache und Zeichenunterricht« 1900 aus.

Es ist eine der edelsten Aufgaben unserer Erziehung,
die Jugend zum rechten Verständnis der Kunst heranzubilden,
und hierzu ist nicht nur der Lehrer berufen, sondern jeder,
dem es vergönnt ist, das junge aufstrebende Leben zu pflegen,
unter allen in erster Linie die Muster, welche überhaupt den
grössten Einfluss auf die seelische Entwickelung des Kindes hat.

Es heisst also zeitig beginnen mit der Erziehung zum
Verständnis des Schönen und mit gutem Grunde hat Dr.
Greiner für die untersten Klassen der Volksschule die Wich-
tigkeit eines neuen Zeichen - Lehrplans anerkannt, indem er
seine mehrjährigen Erfahrungen im Zeichen-Unterricht an der
Volksschule gesammelt und methodisch zu einem Lehrplan
aufgestellt hat. Der Verfasser der Broschüre sagt: Zeichen-
Unterricht ist Seh-Unterricht. Er stellt das Kind vor einen
Gegenstand, den es auf seinen Zweck, das Material, die Form
und Farbe zu beschauen hat. Wenn der Lehrer die zum
rechten Sehen nötigen Anleitungen erteilt hat, macht er das
Kind nun erst auf die nötigen Handgriffe in der Zeichen-
Technik aufmerksam und lässt es dann in seiner eigenen
Formensprache niederschreiben. Ist die Zeichnung beendet,
so wird sie dem Kinde in ihren Einzelheiten genau erklärt,
wobei auf die gemachten Fehler besonders hingewiesen wird.
Hierbei wäre zu empfehlen, dass der Lehrer den Gegenstand
klein und richtig nebenhin skizziert, bei Massen-Unterricht an
die Tafel, wie Dr. Greiner selbst schreibt. Es soll die Skizze
nicht als Vorlage dienen, sondern nur dem Kinde die richtige
zeichnerische Darstellung vor Augen führen. Ich kann allen,
welche Interesse an der Aufgabe des Zeichen - Unterrichts
haben, das Büchlein warm empfehlen. Zum Schlüsse möchte
ich noch darauf hinweisen, dass die Bestrebungen für eine
Reform des Zeichen-Unterrichts solange reife Früchte nicht
tragen können, als den Lehrern die methodische Vorbildung
in der neuen Richtung noch fehlt. Da dürfte sich also
empfehlen, Lehrkurse (Fortbildungskurse) für den Zeichen-
Unterricht in der Volksschule einzurichten. Damit wäre einem
grossen Bedürfnis Rechnung getragen. H. Mühlhäuser, Worms.

Zu dieser Reform Greiner's bemerkt O. Scheffers in der
Deutschen Kunst und Dekoration, Juli-Heft 1901: »Möchte
wirklich von Darmstadt aus die Erlösung kommen! Die
Nachwelt wird jedenfalls den Staat mit Ehren nennen, der
als erster eine zielbewusste Wendung zum Besseren macht.«

Auf dem Deutschen Kunstgewerbetag in München, der von etwa
200 Personen besucht und am 1. Juli in Anwesenheit des Ministers
von Feilitzsch eröffnet wurde, kam es zu lebhaften Debatten über das Thema
»Kunstgewerbe und Dilettantismus*, welche schliesslich zu einer Resolution
führten. Die Frankfurter Zeitung berichtet darüber: »Fabrikant Stöffler-
Pforzheim sprach über den kunstgewerblichen Dilettantismus und führte aus,
dass dem Mangel an innerem Verständnis durch planmässige Pflege des kunst-
gewerblichem Dilettantismus abgeholfen werden müsse. Darin liege keine Kon-
kurrenz für die Berufsleistungen. Zu diesem Zwecke sollen Lehrstätten errichtet,
eine Centraistelle geschaffen und Central - Ausstellungen für die Dilettanten-
Arbeiten in Verbindung mit einem Dilettanten - Kongress ins Leben gerufen
werden. Fast alle Redner stiessen sich an dem Wort »Dilettantismus«, erkannten
jedoch die Notwendigkeit an, den Zeichen-Unterricht an allen Schulen tu ver-
bessern und das kunstgewerbliche Verständnis zu heben, waren aber gegen die
Förderung des Dilettantischen, gegen jede dilettantische Organisation, Ausstel-
lungen usw. Einige Redner suchten einen mittleren Standpunkt zu gewinnen
und das Gute aus dem Antrag zu retten. Schliesslich wurde auf Antrag
Dr. Brinkmann's folgende Resolution angenommen: »Der Kunstgewerbetag
erblickt in der häuslichen nicht unmittelbar auf Erwerb gerichteten Kunstpflege
und kunstgewerblichen Arbeit (Dilettantismus) eine Förderung des Kunstgewerbes.
Er empfiehlt daher, alle Einrichtungen und Unternehmungen, welche die häus-
liche Kunstpflege zu fördern geeignet sind, der wohlwollenden Beachtung des
Verbandes, vorkommenden Falles der Förderung durch dessen Organe und die
ihm angehörigen Vereine.« — Es ist schade, 'dass man über diese allgemeine
und platonische »Empfehlung« nicht hinausgekommen ist! Die Redaktion.
 
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