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Internationale Sammlerzeitung: Zentralbl. für Sammler, Liebhaber u. Kunstfreunde — 14.1922

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Zentralblatt für|Sammler, Liebhaber u, Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlich,

14. Jahrgang. Wien, 15. Jänner 1922. Nr. 2.

lDas frankfurter Sckopenftauer-fJfuseum.

Aus Frankfurt am Main wird uns geschrieben:
Die Stadt, in der Artur Schopenhauer gelebt
und gewirkt hat, — das Licht der Welt hat er bekannt-
lich in Danzig erblickt, — hat nun endlich eine Dankes-
schuld an den Philosophen abgestattet, indem sie ein
Schopenhauer-Museum errichtete. Ist es vor-
läufig noch sehr bescheiden, so ist immerhin eine Stätte
geschaffen worden, wo nach und nach alles, was sich
auf Schopenhauer bezieht, konzentriert werden kann.
Vorerst ist in einem Zimmer im Obergeschosse der
Stadtbibliothek das Wenige zusammengetragen
worden, was aus dem Nachlasse des am 21. September
1866 verschiedenen Philosophen gerettet werden konnte.
Das meiste ging, wie man weiß, infolge letztwilliger
Bestimmung Schopenhauers in den Besitz seiner lang-
jährigen treuen Haushälterin Margarete Schnepf über,
die sich später verheiratete und nach Amerika aus-
wanderte, wobei das Mobilar Schopenhauers wohl ver-
steigert worden ist.
Die wenigen Ueberreste sind das Glasprisma, dessen
sich Schopenhauer bei seinen optischen Untersuchungen
zu bedienen pflegte, eine Tischglocke, mit der Figur
des Preußenkönigs Wilhelm III. als Griff, ein sehr
schöner mit Blumen bestickter Straminteppich, ein
Geschenk von Schopenhauers Schwester Adele an
ihren Bruder, den Artur von G w i n n e r dem Museum
überlassen hat und ein Hut Schopenhauers von gewal-
tigem Umfang. Von besonderer Bedeutung sind die
Darstellungen der Person Schopenhauers selbst, die er
der Stadtbibliothek als Stätte zur Pflege seines An-
denkens vermacht hat. Es ist efne ganze Reihe von
Daguerrotypien und Photographien, die den älteren
Schopenhauer in charakteristischer Weise wiedergeben.
Von größeren Bildern ist ein gutes Oelbild aus dem
Besitze der Frankfurter Künstlergesellschaft und eine
Lithographie zu sehen, eine wertvolle Ergänzung wird
hiezu das R u h 1 s c h e Jugendbildnis des Philosophen
darstellen, das der derzeitige Besitzer Prof. Schernau
dem Museum stiften wird. Auch die Büste der Bild-
hauerin Elisabeth Ney, zu der Schopenhauer noch nm
hohen Alter eine schwärmerische Zuneigung faßte, ist zur
Aufstellung gelangt, während die große Schierholzsche
Büste, die der verstorbene Vorsitzende der Schopen-
hauer-Gesellschaft, der frühere Kieler Professor Deußen,
zum Geschenk gemacht hat, im Treppenaufgang die

Blicke auf sich lenkt. Auch eine Silberglocke Schopen-
hauers ist unter Glas und Rahmen erhalten.
Wertvolle Stücke sind auch das von der Universität
Jena ausgestellte Doktordiplom Schopenhauers und das
von ihm selbst geschriebene Testament, in dem dieser
Revolutionär des Geistes seiner konservativen Staats-
gesinnung dadurch Ausdruck gegeben hat, daß er den
Haupttei! seines Vermögens den preußischen Soldaten
vermacht hat, die in den Revolutions- und Aufruhr-
kämpfen des Jahres 1848/49 invalid wurden, und den
Hinterbliebenen der in diesen Kämpfen Gefallenen.
Der wertvollste Besitz des Museums sind natürlich die
handschriftlichen- Aufzeichnungen Schopenhauers und
seine Bibliothek, die Gwin n er schon vor längerer
Zeit der Stadtbibliothek gestiftet hat, wie er auch jetzt
wieder für die Zwecke des Schopenhauer-Museums eine
größere Summe zur Verfügung stellte. So ist das Museum
im Besitz des zweiten Teiles des Manuskriptes von
Schopenhauers Hauptwerk „Die Welt als Wille und
Vorstellung“ und einer reichen Sammlung von Briefen
aus dem Freundeskreise Schopenhauers.
Interessant sind die Zeichnungen von Schopen-
hauers Hand auf der Innenseite von Bücherdeckeln, die
wohl als physiognomische Studien anzusprechen sind.
Die Bücher seiner Bibliothek sind mit zahlreichen Rand-
bemerkungen versehen, die immer in der Sprache des
Autors abgefaßt sind. In einer Ausgabe des heiligen
Augustinus findet sich der Satz: „Die Frau ist ein Tier,
bei dem der Wille an die Stelle der Vernunft tritt.“
Auch -eine Bibel ist ausgestellt, die Schopenhauer im
Jahre 1813 in Berlin einem Geisteskranken zum Geschenk
machte. Das Museum soll noch, wie Dr. Karl Geb-
hardt, der sich besondere Verdienste um seine Ein-
richtung erworben hat, mitteilt, durch Bilder und auf
Schopenhauer bezügliche Schriftstücke und Bücher seiner
„Evangelisten“ bereichert werden. Bis jetzt weist es
nur ein Jugend- und ein Altersbildnis seines Biographen
Wilhelm von Gwinner auf, aber bei dem Eifer und
der Gebefreudigkeit der leitenden Mitglieder der Scho-
penhauer-Gesellschaft ist zu hoffen, daß die Frankfurter
Stadtbibliothek nicht nur eine Stätte der Erinnerung in
dem Schopenhauer-Museum geschaffen hat, sondern,
wie schon eingangs betont, den Mittelpunkt für die
gesamte Schopenhauer-Forschung.
 
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