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Internationale Sammlerzeitung: Zentralbl. für Sammler, Liebhaber u. Kunstfreunde — 14.1922

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Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde,
4
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
14. Jahrgang. Wien, 1. Mai 1922. Nr. 9.

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Es war in der bibliophilen Welt schon lange kein
Geheimnis mehr, daß das sächsische Königshaus sich
seiner Bücherschätze entledigt und daß einzelne wert-
volle Teile derselben, wie die Fürstenausgabe der
Werke Friedrichs des Großen, ihren Besitzer
bereits gewechselt haben. Nun kommt auch die Reihe
an die kostbare Wasa-Bibliothek, sogenannt
nach dem Vorbesitzer, dem Prinzen Gustav Wasa
von Schweden, von dem sie dessen Tochter, die Königin
Carola von Sachsen und dann deren Sohn König
Friedrich August III. geerbt hatte.
Die Bibliothek, deren Gründung auf den König
Gustav Adolf IV. von Schweden zurückgeht, enthält
eine einzigartige Sammlung von geographischen, ge-
schichtlichen und Reisewerken, schöner Literatur und
Musikwerken, im ganzen dreitausend Bände. Was den
besonderen Wert dieser Sammlung ausmacht, ist ihre
wunderbare Erhaltung. Alle Bände sind von einer Un-
berührtheit, wie sie im Handel kaum je vorgekommen
ist. Die schönen Ledereinbände mit der reichen Gold-
pressung dürften kaum je durch eine andere Hand ge-
gangen sein als durch die des Bibliothekars.
Unter den Geschichtswerken befindet sich eine
Anzahl von Rarissima, so Archenholtz, Geschichte
der Königin Christine mit dem berühmten Bildniskupfer
nach Bourdon, eine große Sammlung französischer
Revolutionsliteratur, das französiche Sammelwerk,, Histoire
universelle“, die Geschichte der Königin Elisabeth von
England, von Keralio, Franklins Werke mit Por-
trait von M a r t i n e t. Unter den geographischen und
Reisewerken gibt es solche, die heute unschätzbar sind.
Ein Kartenwerk, die schwedischen Provinzen darstellend,
ist im Pas de Loup-Einband gebunden und mit fran-
zösischem marmorierten Vorsatzpapier versehen. Ferner
finden wir Reisewerke über alle europäischen Länder,
darunter die Originalausgabe von Stendhals „Prome-
nades dans Rome“, Montaignes Reisen, eine Reihe der
„Etat et Delices de la Suisse“, Basel, die Reisewerke
der Lady Morgan, Coxes, Reisen in Schweden, zwei
Bände in Englisch auf Schreibpapier, die Bibliotheque
geographique, kleine anmutige Bändchen mit Kupfern,
„La Vielte Pologne“ von Lamberti mit Stahlstichen, ein
großes Sammelwerk über Reisen in Griechenland, die
„Histoire generale des Voyages“, ebenfalls ein franzö-
sisches Sammelwerk, das große Reisewerk über China

von Du Halde, die berühmten Ansichten von Rom von
Piranesi in .prachtvollen Originaldrucken. Quadratmeter
große Atlanten aus dem 18. Jahrhundert sind in rotem
Ziegenleder gebunden.
Unter der schönen Literatur fällt insbesondere die
dreissigbändige, von Gravelot illustrierte Grossquart-
ausgabe der Werke Voltaires auf, in Leder mit künst-
lerischer Goldornamentik. Auch Dorats Fabelwerk ist
in einem breitwandigen Exemplar aus schneeweissem
Papier vorhanden und in marmoriertes Leder gebunden.
„Les Mois“ von Roucher, 1769 in Paris erschienen,
enthalten die Kupfer des berühmten Stechers Coch in.
Die lateinischen Klassiker sind in kleinen Ganzleder-
bändchen vorhanden, ebenso die Erstausgaben von
Ramler, Fritz Jacobi, Klopstock; die französischen
Klassiker ebenfalls in Kleinoktav mit den Kupfern der
berühmtesten Stecher der Zeit. Eine Kostbarkeit für
Bibliophile ist auch Winckelmanns „De l’Art“ in
der Breitkopfschen Ausgabe von 1781, in Halblederband
mit schwervergoldetem Rücken.
Von kulturhistorischem Wert sind das Balletwerk
von N o v e r r e, ein Dedikationsexemplar auf breitran-
digem Papier, die Petersburger Briefe über den Tanz,
zwei in kirschrotem Maroquin gebundene Bände mit der
Krone und goldornamentiertem Rücken. Von den sehr
gesuchten alten Modezeitungen mit den kolorierten Mode-
kupfern sind mehrere Bände vorhanden, ebenso Bäu-
erles Wiener „Theaterzeitung“ mit Mode- und Kostüm-
kupfern. Zu den grössten Seltenheiten gehören die drei
Bände Pariser „Charivari“ aus den Dreissigerjahren
des vorigen Jahrhunderts, die ihren Wert hauptsächlich
durch die Illustrationen von D a u m i e r erhalten. Ein
Widmungsexemplar ist das Galeriewerk über Dresden,
zwei Grossfoliobände mit Schliessen, in grünem Maro-
quin mit Goldpressung. Von Tageszeitungen sind ganze
Reihen „Gazette de France“ und„Wiener Zeitung“ vor-
handen. Die musikalische Abteilung“ enthält zahlreiche
Erstausgaben. Die meisten Bücher tragen als Super-
exlibris das schwedische Königswappen oder ein G
(Gustav) in Gold und die Standardbezeichnung der
Bibliothek: Haga in Schweden.
Die Wasabibliothek ist zur Zeit in der Bücherstube des
Pantheon-Verlags im Kaufhaus des Westens in Berlin
zur Schau gestellt und soll, wenn es nicht gelingt, sie in
Pausch und Bogen zu verkaufen, versteigert werden,
 
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