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Internationale Sammlerzeitung: Zentralbl. für Sammler, Liebhaber u. Kunstfreunde — 14.1922

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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Norbert Ehrlichs
14. Jahrgang. Wien, 15. November 1922. Nr; 18.
Stossen zur neuen SRuHtionsordnung.

Von Leo Schidlof, Wien.

Wenn bei uns in Oesterreich ausnahmsweise ein
Gewerbe blüht, dann heißt es sofort: „Da muß was
g’schehn“ und man zerbricht sich die weisen Köpfe,
wie da ein Riegel vorgeschoben werden könnte. So
auch mit den Kunstauktionen. Dank der Initiative
einiger Privatauktionatoren entwickelte sich Wien in
den letzten Jahren zu einem Kunstmarkt und die
Versteigerungen brachten zahlreiche kaufkräftige Sammler
und Händler des Auslandes nach Wien, während bis
dahin fast alle größeren Wiener Sammlungen im Auslande
versteigert wurden. Diese erfreulichen Erfolge veranlaßten
zuerst zahlreiche mehr oder weniger unberufene Personen
in den Tagesblättern aller Parteirichtungen über die
Auktionen loszuziehen, wobei häufig das Bedauern durch-
blickte, daß der Autor des betreffenden Artikels nicht
der Besitzer der Millionen österreichischer Kronen sei,
welche bei der von ihm besprochenen Auktion eingingen.
Dann kam der Finanzreferent der Gemeinde Wien, Herr
Breitner. In kurzer Zeit erhöhte er die Abgaben der
Auktionen, die ursprünglich 3% betrugen auf 9%, 14%
u. s. w., so daß dieselben heute einige zwanzig % aus-
machen. Wo die Gemeinde liebt, kann auch der Bund
nicht hassen — er dekretierte daher eine Ausfuhrgebühr
für Kunstgegenstände in der Höhe von 17%. Rechnet
man noch hinzu, in welch ungeheuerlicher Weise alle
Kosten einer Versteigerung, u. zw. wieder hauptsächlich
durch diverse Gemeindesteuern (z. B. die Inseratensteuer)
in die Höhe geschraubt wurden, so wird selbst jedem
Laien das Mißverhältnis klar zwischen den Beträgen,
welche der Käufer zu bezahlen hat und denjenigen,
welche der Verkäufer eines Gegenstandes erhält; Bund
und Gemeinde konfiszieren zirka 5 0 %. Dabei ist es
heute dem Auktionator trotz bester Erfolge kaum mehr
möglich, seine Spesen zu decken, ohne auch nur an
eine bescheidene Bezahlung seiner unendlichen Mühe,
Arbeit und Verantwortung denken zu können. Dies
nachzuweisen, würde den Rahmen dieses Artikels über-
schreiten, wird jedoch schon durch den Umstand be-
wiesen, daß seit einem Jahre etwa die Hälfte der hiesigen
Auktionsunternehmungen ihren Betrieb einstellten und
es unterliegt keinem Zweifel, daß die übrigen bald ge-
zwungen sein werden, diesem Beispiele zu folgen.
Offenbar in der Angst, daß die eben geschilderten
finanziellen Verhältnisse noch nicht genügen könnten,
um die Auktionen vollständig zu erschlagen, erließ der
Bürgermeister der Stadt Wien ais Landeshauptmann die
„Verordnung vom 28. September 1922 betreffend die

gewerbepolizeiliche Regelung des Gewerbes der Ver-
steigerung beweglicher Sachen“.* Es würde zu weit
führen, diese Verordnung im Detail zu kritisieren, nur
einige der schönsten Sprünge unseres Amtsschimmels
seien hier mitgeteilt.
So heißt es im § 10: „Alle zur Versteigerung über-
gebenen und nicht zurückgezogenen Gegenstände müssen
längstens binnen sechs Wochen nach der Schätzung
zur Versteigerung gebracht werden“. Da andererseits
der § 1 befiehlt, daß die Gegenstände sofort bei Ueber-
nahme zu schätzen sind, so deutet dies, daß jedes
Objekt, jede noch so große Sammlung sechs Wochen
nach der Uebernahme versteigert werden muß. Nun
weiß jedes Kind, daß die sorgfältige Katalogisierung
einer größeren Sammlung oft mehrere Monate in An-
spruch nimmt, daß ferner die Kataloge einer Versteigerung
mindestens zwei Wochen vor der Auktion versendet
werden müssen. Es ist daher ganz unmöglich, die oben
angegebene Frist einzuhalten. Was soll übrigens damit
bezweckt werden? Offenbar sollte damit das verstei-
gernde Publikum geschützt werden. Angenommen, es
wäre praktisch durchführbar, alle übernommenen Gegen-
stände im Laufe der vorgeschriebenen sechs Wochen
zu versteigern, wäre es im Interesse des Besitzers, der
z. B. seine Sammlung Ende Juni übergibt, wenn dieselbe
anfangs August — zu einer Zeit, wo kein Mensch in
Wien ist — versteigert werden würde? Oder, wäre es
im Interesse des Besitzers, wenn seine Sammlung zu
einem Zeitpunkte veräußert werden müßte, an dem
gerade mehrere große Versteigerungen im Auslande
stattfinden, wenn politische Unruhen oder ein Börsen-
krach einen anderen Zeitpunkt geraten erscheinen ließen?
All diese Beispiele beweisen, wie schädlich der behörd-
liche „Schutz“ für den Beschützten ausfallen kann,
während seine Interessen vollauf gewahrt sind, wenn er
mit dem Auktionator frei seine Vereinbarungen trifft.
Der § 11 derselben Verordnung sagt: „Die Fest- ,
Setzung einer Beschränkung seitens des Veräußerers an
den Versteigerer, dahin gehend, daß ein Gegenstand
nicht unter einem bestimmten den Ausrufspreis über-
steigenden Preise abgegeben werden darf, ist unzulässig.“
Das heißt, in verständliches Deutsch übersetzt, daß es
dem Besitzer eines Gegenstandes nicht gestattet ist,
für denselben einen Mindestpreis festzusetzen oder aber,
daß der betreffende Gegenstand mit dem Mindestpreis
* Abgedruckt in Nr. 17 der „Internationalen Sammlerzeitung“
vom 1. November. Seite 135 und 136',
 
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