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Internationale Sammlerzeitung: Zentralbl. für Sammler, Liebhaber u. Kunstfreunde — 14.1922

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Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde,
Herausgeber: Norbert Ehrlich.
14. Jahrgang. Wien, 15. Oktober 1922. Nr. 16.

Signierte und unsignierte Original-Radierungen.

Ueber den Wert oder Unwert von Signierungen
ist in der „Internationalen Sammler-Zeitung“ schon oft
gehandelt worden. Ein interessanter Beitrag zu dieser
immer aktuellen Frage liegt uns in einer Broschüre der
bekannten Schweizer Graphik - Firma Gutekunst
& Klip stein vor, aus der wir das Wesentlichste
nachstehend wiedergeben wollen.
Die Firma, die in den Jahren ihres Bestandes
reiche Erfahrungen gesammelt hat, schreibt u. a.: An
die Stelle der alten, kenntnisreichen Sammler treten in
den letzten Jahren neue jüngere Interessenten, die
meist noch wenig oder gar keine Tradition des
Sammelns besitzen und sich erst die nötigen Sach-
kenntnisse erwerben müssen. Aus diesem Grunde sind
sie in ihren Ankäufen oft unsicher und skeptisch, und
eine starke Desorientierung des Publikums graphischen
Blättern gegenüber macht sich im Handel in verschie-
denster Weise bemerkbar. Besonders auffallend tritt
dieser Zug in Erscheinung bei der Einschätzung der
sogenannten „signierten Drucke“. Die Nachfrage nach
solchen Blättern ist so ausschließlich geworden, daß die
Bewertung früher Zustandsdrucke stark darunter leidet
und die Signatur als solche vielfach ohne jeden Grund
unverhältnismäßig hoch eingeschätzt wird.
Dieses ständige, in manchen Fällen ganz unver-
nünftige Verlangen veranlaßte uns, das Thema des
„signierten Druckes“ einmal näher zu behandeln, wobei
wir unsere eigenen Erfahrungen durch Anfragen bei
kenntnisreichen Sammlern moderner Graphik zu er-
härten und zu erweitern suchten.
Herr N. H. Harrington schrieb: „Der Gebrauch,
Originalradierungen handschriftlich zu signieren, wurde
nicht vor 1880 allgemein, und es sind nur die Arbeiten
jener Künstler, welche vor und nach diesem Zeitpunkt
lebten und die ihr späteres Werk signierten, denen
man mit Mißtrauen begegnet. Kein Sammler ist darauf
aus, signierte Blätter von Mille t, Jaque, Corot
oder M e r y o n zu besitzen, es sei denn, daß es sich
um Drucke mit einer handschriftlichen Dedikation
handelt; aber im allgemeinen wird er, offen gesagt, die
unsignierten Exemplare der späteren Radierer, wie
Lepere, Zorn, Cameron und B o n e, die ihre
Arbeiten zu einer Zeit herausbrachten, als die Signatur
allgemein üblich war, verwerfen. Indessen entstehen
Schwierigkeiten bei jenen Graphikern, die, wie Legros,
Whistler und Haden, in diesen Uebergangsjahren
lebten. Keines der Frühwerke dieser Künstler wurde
bei Erscheinen handschriftlich bezeichnet (die Dedika-

tionsexemplare ausgenommen), obgleich viele dieser
Stücke später, als das Signieren allgemein wurde, auf
die Bitte der Besitzer hin nachträglich signiert wurden.
Demzufolge ist es klar, daß das Fehlen der Signatur
auf Drucken der früheren Arbeiten dieser Graphiker
keineswegs als Zeichen minderwertiger Abzüge aus-
gelegt werden darf. Es ist eine Tatsache, daß • die
schönsten Drucke, welche ich je gesehen, und manche
der seltensten, die ich besitze, unsigniert sind . . .
Die Tatsache der Signatur als solche garantiert
keineswegs eine besonders hervorragende Qualität; sie
besagt nur so viel, dass der Künstler den Druck für
genügend gut hält, dass derselbe ihn mit Anstand ver-
treten könne, — dass es ein schöner Druck ist, weil
sich die Platte noch in gutem Zustande befindet. Zu-
sammenfassend möchte ich sagen, dass weder die Sig-
natur des Künst-lers noch der frühe Abdruck die Schön-
heit und den wahren Wert eines Blattes ausmachen.
Die Signatur kann fehlen aus irgend einem äusseren
Grunde und der 20. Abdruck kann und wird sehr oft
schöner sein als der erste“.
Dieser Brief bestätigt unsere Erfahrung, dass die
handschriftliche Bezeichnung von Drucken um die Mitte
der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts von Eng-
land ausging, und zwar, wie wir hier hinzufügen können
und wie aus dem weiter unten abgedruckten Brief des
Sohnes von Alphonse Legros hervorgeht, ist das be-
sondere Bedürfnis der Amerikaner nach der Signatur
dabei sehr stark mitbestimmend gewesen. Ganz ähnlich
liegen die Umstände bei Whistler. Vor der Mitte
der achtziger Jahre kommen meist unsignierte Drucke
vor, ausgenommen einige wenige Exemplare mit Dedi-
kationen oder schon mit dem berühmten Schmetterling.
Die Pariser und die Themse-Folge zeigen in ihren drei
Ausgaben — Ellis & Green 1871, Fine Art Society,
Keppel & Co. — noch keine Signaturen. Erst
die venetianische Serie von 1880 mit den stark be-
schnittenen Rändern bringt zum erstenmal den Schmet-
terling offiziell als handschriftliches Zeichen.
Besondere Aufmerksamkeit beansprucht das Werk
Legros (geb. 1837, erste Radierung 1857), das mitten
in die Uebergangszeit zu liegen kommt. Wir verdanken
Herrn L. A. Leg ros, dem Sohne des Künstlers, eine
interessante Zuschrift, die die Arbeiten seines Vaters
von unserem Gesichtspunkte aus erschöpfend behandelt
und die wir hier folgen lassen: . . . „Bis in den Anfang
der achtziger Jahre wurden von meinem Vater noch von
irgendjemandem der bekannten Radierer, wie Seymour
 
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