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Internationale Sammlerzeitung: Zentralbl. für Sammler, Liebhaber u. Kunstfreunde — 14.1922

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Internationale

Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde,


Herausgeber: Norbert Ehrlich.

14. Jahrgang. Wien, 15. April 1922. Nr. 8.



•Jnßunaßefn der JPithograpfiie.
Von Dr. W. Kurth, (Berlin.)

Als 1902 zum ersten Male eine grosse Sammlung
von Lithographien, die des Herrn Julius Aufseesser
in Berlin, zur Versteigerung kam, fand ein bis dahin
kleiner Kreis von Interessenten Gelegenheit, die Lücken
der historischen und künstlerischen Entwicklung dieser
letzten der graphischen Techniken aufzufüllen. Von
musealer Seite war es Alfred Lichtwark, welcher den
Blättern der Entstehungs- und Frühzeit, den Inkunabeln
der Lithographie, besonderes Interesse schenkte — das
Berliner Kabinett hatte einen reichen Bestand aus den
staatlichen Druckereien, und die Münchener Sammlung
kaufte die einzig vollständig bestehende F erseh Ische
Inkunabelsammlung. - Seit dieser ersten Aufseesser-
Versteigerung -— die zweite im Jahre 1913 enthielt nur
Berliner Lithographien — bietet sich in der Verstei-
gerung der Sammlung des im Jahre 1920 im Alter von
85 Jahren verstorbenen Hofrats Prof. Dr. Adam Politzer*
dessen bedeutende Forschungen auf dem Gebiete der
Ohrenheilkunde von Wien aus bald europäische Be-
deutung erlangten, wohl eine in Deutschland einzige
Möglichkeit, die historische und künstlerische Seite der
Lithographie in musealem und privatem Besitz zu er-
gänzen. Die Sammlung Politzer gibt ein vollständiges
Bild vom Beginn bis zum Niedergang der Lithographie
in Europa während der Sechzigerjahre und enthält be-
sonders einen grossen Reichtum von Inkunabeln, die
im Handel fast nirgends mehr vorkommen.
Von ihrem Erfinder Alois S e n e f e 1 d e r hat die
künstlerische Seite der Lithographie keine Förderung
erfahren. Sein Streben ging dahin, ihr eine technische
Vollendung und wirtschaftliche Breite zu schaffen. Sein
1818, 20 Jahre nach der Erfindung,, erschienenes „Voll-
ständiges Lehrbuch der Steindruckerei“ ist besonders
mit den im allgemeinen fehlenden 20 Musterblättern,
welche aber das Exemplar dieser Sammlung Politzer
enthält, von grösster Seltenheit. In Berlin fand die neue
Technik durch Wilhelm Reuter schon 1903 Eingang,
und der Probedruck der ersten Federzeichnung von
Reuter „Pluto raubt Proserpina,“ gehört jener Zeit an.
Federzeichnungen auf Stein mit dem Namen „Polyauto-
graphie“ wurden der Inhalt einer Publikation, die seit
1804, drei Jahre lang, Reuter mit Janus Genelli, Hampe
*) Vom 18. bis 20. Mai bei Amsler & Ruthardt in Berlin.

u. a., deren Arbeiten in Probedrucken und anderen
seltenen Arbeiten vertreten sind, erschien. Von der
langen Reihe der Köpfe, die Reuter mit weicher Kreide
in malerischer Breite vortrug und die zu den seltensten
Inkunabeln der deutschen Litographie gehören, sind viele
Probedrucke vorhanden. Die Manier der „Polyautogra-
phischen Zeichnung“ hatte schon 1803 in England eine
höhere Fertigkeit erreicht in Benjamin West, B. Bayley,
Richard Cooper, die in den anderen graphischen
Techniken geschult, schneller eine reifere Technik und
auch nach der künstlerischen Seite vollere Gebilde her-
vorbrachten. Diese seltenen und schönen Blätter weist
die Sammlung in vorzüglichen Drucken auf. Von W.
Reuter stammen auch die interessanten Andrucke für
Geldscheine in verschiedenen Farben als Kassenscheine
von fünf Talern. Von den wenigen Arbeiten Schinkels
findet man das romantische „Schloss Prediana“ in zwei
Exemplaren. Von anderen deutschen Städten ist zu den
wertvollen Inkunabeln zu rechnen die in Piranesis
Ruinengeschmack lithographierte Landschaft von Matthias
Koch aus Offenbach, der für die Firma Johannot dort
arbeitete, dann der Probedruck der ersten bedeutenden
Litographie, die 1807 in Stuttgart von 1. B. Seele
erschien und als Titel zu Schillers Reiterlied aus Wal-
lensteins Lager Verwendung fand und eine Arbeit N.
Vogts aus Mainz vom Jahre 1803. Das zweite Jahr-
zehnt des Jahrhunderts, das die Frühzeit der Lithogra-
phie einschliesst, ist auf deutscher Seite besonders nach
der technischen und künstlerischen Seite hin durch
reifere Arbeiten der Münchener Künstler vertreten. Neben
der zarten Romantik der Heggen-Papiermühle von
Leopold Brunner, die Thomas und Steinhausens
Lyrik vorausnimmt, findet man die bekannten Arbeiten
Dorne rs nach den .grossen holländischen Landschaf-
tern wie auch die in Beobachtung ausgeglichenen Land-
schaften Wagen bauers und die kräftigen Strich-
zeichnungen Simon Warenbergers. Das reiche male-
rische Repertoir in Uebergängen vom tiefen Schwarz
in Silbergrau zum leuchtenden Weiss entfalten zuerst
die Mitglieder der Familie Quaglio, von denen Do-
menico Quaglio im Probedruck zur Maximuskapelle-
Salzburg in zwei Zuständen besondere Wirkungen erzielt.
In München trat mit dem Erwachen kunstgeschichtlicher
Studien die Lithographie in den Dienst der Reproduk-
 
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