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Internationale Sammlerzeitung: Zentralbl. für Sammler, Liebhaber u. Kunstfreunde — 14.1922

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Nr. lä

internationale Sammler-Leitung

Seite 97

GfironiH.

BIBLIOPHILIE.
(Einejubiläu ms-Wert Herausgabe.) Eine neue
Wertherausgabe erscheint zu den Wertherfesttagen bei J. J.
Weber in Leipzig. Interessant ist die Zusammenstellung der
Kritiken, die beim ersten Erscheinen des „Werther“ in den
literarischen Zeitschriften veröffentlicht wurden, und deren Zu-
sammenstellung von Fritz Adolf H ü n i c h der neuen Ausgabe
anschließt. Eine Probe der überschwänglichen Aufnahme gibt
Christian Daniel S c h u b a r t in seiner „Deutschen Chronik“:
„Da sitz ich mit zerfloßenem Herzen, mit klopfender Brust, mit
Augen, aus welchen wollüstiger Schmerz tröpfelt und sag dir
Leser, daß ich eben die Leiden des jungen Werthers von
meinem lieben Goethe — gelesen? — nein, verschlungen habe.
Kritisieren soll ich? Könnt’ ich’s, so hätte ich kein Herz.“
(Ausstellung der Reichsdrucke in Berlin.) Im Licht-
hof des Kunstgewerbemuseums in Berlin ist jetzt die erste Aus-
stellung der sogenannten „Reichsdrucke“, d. h. Nachbildungen
von Kupferstichen und Holzschnitten alter Meister durch die
Reichsdruckerei, eröffnet worden. Prof. Friedländer vom
Staatlichen Kupferstichkabinett Berlin erläuterte den Zweck der
verhältnismäßig wohlfeilen Drucke, die unserem verarmten Mittel-
stand ermöglichen sollen, Kunstwerke von anerkannt hohem
Wert in getreuen und reinen Wiedergaben für Haus und Schule
anzuschaffen. Albrecht Dürers Schöpfungen sind auch in dieser
Ausstellung fast vollzählig vertreten, daneben seine Vorläufer
und Nachfolger, wie Schongauer, Wohlgemut, Kulmbach, Schäu-
felein, Baldung Grien, Burgkmair, Schoen, Guldenmundt, Beham
und Pencz nicht vergessen ; ihre Werke geben in zeitgemäßer
Anordnung ein anschauliches Bild von dem Entwicklungsgang
der deutschen Kunst im 15. und 16. Jahrhundert. Besonderes
Interesse erregt die wunderschöne Nachbildung von Dürers Kopf
des Ulrich Varnbühler (hell-dunkel in braun). Zur Vervollstän-
digung der Schausammlung sind , auch Wiedergaben von Stichen
und Schnitten späterer Meister, wie Teniers, Rubens und Rem-
brandt, ausgestellt.
(Ein wertvoller Fund vor 100 Jahren.) Vor
100 Jahren wurde nach langer Verschollenheit eine der gehalt-
vollsten Schriften des Altertums wiedergefunden: Ciceros
Werk vom „Staat“ das von der Renaissance so mühsam ge-
suchte, erschien 1822 zum erstenmal im Druck (Rom und Stutt-
gart). Entdecker war Angelo Mai, Bibliothekar im Vatikan.
Angelo Mai fand unter der Schrift eines Psalmenkodex aus dem
7. Jahrhundert den viel früher geschriebenen Cicero mit dem
berühmten „Traum des Scipio“. Schon Petrarca hatte erfolglos
nach dem „Staat“ gesucht. Ende des 16. Jahrhunderts glaubte
man in Polen einer Handschrift auf der Spur zu sein. Alles
vorsätzliche Fahnden aber war umsonst, bis der Zufall dem
Angelo Mai jenen alten Kodex aus dem Kloster Bobbio zuspielte.
Es handelt sich hier um* einen „Palimpsest“, d. h. aus Perga-
mentmangel hat ein Mönch des 7. Jahrh. die alte Handschrift
aus dem vierten von neuem lesbar gemacht durch möglichstes
Vertilgen und Ueberschreiben des alten Urtextes. Dies ge-
lang ihm aber nicht so gründlich, dass einem geübten Auge die
alte durchschimmernde Unziale verborgen geblieben wäre. Die
Entzifferung des „Staates“ war keine leichte Aufgabe — viele
Gelehrte haben sich mit ihr befasst. Heute verdankt die Wissen-
schaft der glänzenden Erfindung von P. Kögel (Technische
Hochschule Karlsruhe) ein photo-chemisches Verfahren, das im
Lichtbild die schwache Urschrift so stark hervortreten lässt,
dass sie meist mühelos vom Paläographen gelesen werden kann.

BILDER.
(Diebstahl eines Rembrandts.) Aus Stuttgart
wird gemeldet: In der staatlichen Gemäldegalerie wurde das
Bild „Paulus im Gefängnis“ von Rembrandt ge-
stohlen. Der Wert des Bildes wird auf fünf Millionen Mark be-
ziffert. Für die Ermittlung des Täters und Herbeischaffung des
Bildes sind 50.000 Mark Belohnung ausgesetzt. Da Rembrandt
1606 geboren wurde und das Werk aus dem Jahre 1627 stammt,
ist „Paulus im Gefängnis“ eines der ersten bedeutenderen
Meisterwerke Rembrandts. Es stellt den Apostel vor einer hell-
beleuchteten Wand auf einer Bank sitzend, das Kinn sinnend
auf die Rechte stützend und mit der Linken ein Buch auf dem
Schoß haltend, dar, barhaupt mit langem weißlichen Bart in
stahlgrauem ärmellosen Rock, aus dem die grüngefütterten
Aermel des gräulich-violetten Unterrocks hervorsehen. Er sitzt
auf einer rötlich-grünen Decke. Links neben ihm Bücher in
bräunlichen Einbänden, eine Reisetasche und ein großer Zwei-
bander. Links oben ein Stück vergitterten Fensters, durch das
volles Sonnenlicht auf die Figur fällt. Das Gemälde, das,
auf Eichenholz gemalt, eine Höhe von 72'8 und eine Breite von
60’2 Zentimeter hat, trägt die Bezeichnung auf einem Papier,
das auf dem Schoß des Apostels liegt: „Rembrandt fecit“ und
etwas niedriger an der Bank „R. f. 1627“. In Stuttgart befindet

sich das Werk seit 1867, in welchem Jahre es die Stuttgarter
Galerie bei der Versteigerung der Galerie Schönborn v. Pommers-
felden in Paris erworben hat. Eine vorzügliche Radierung dieses
Gemäldes hat Professor William U.nger geschaffen.
(B r a m_a nte als Lehrer Dürers.) Dürer schrieb
am 13. Oktober 1506 aus Venedig an Pirkheimer: „Ich bin
in zehn Tagen hier fertig. Danach werde ich nach Bologna
reiten, um der Kunst willen in heimlicher Perspektiva, die mich
einer lehren will.“ Ueber diesen Lehrer, bei dem sich Dürer
unterrichten wollte, ist viel geschrieben worden; doch konnte
man bisher aus den neu in Dürers Werk auftauchenden Ein-
flüssen nur feststellen, daß es sich um einen Meister handeln
muß, der, „an Pieros Lehre gebildet, zugleich mit den Bestre-
bungen der Mailänder Schule nicht unbekannt war“. In der
„Kunstchronik“ veröffentlicht nun Wolfgang Stechow einen Auf-
satz, worin er als den Bologneser Lehrer Dürers den großen
Architekten Bramante zu erweisen sucht. Bramante war im
Herbst 1506 mitjuliusil. in Bologna, am 11. November, an dem sich
auch Dürer in der Stadt aufhielt. Es hat nichts Unwahrschein-
liches, daß der deutsche Meister sich gerade an Bramante
wandte, der seit der Grundsteinlegung von St. Peter im April
desselben Jahres besonders gefeiert war.

HANDSCHRIFTEN.
(Ein Roswitha-Fund.) Im Kölner Stadtarchiv hat
Dr. Goswin Franken einen wertvollen Fund gemacht. In
einem Bande, der auch andere für die Geschichte und Kultur
des Mittelalters nicht bedeutungslose Schriften enthält, fand er
eine bisher unbekannte Handschrift der Roswitha von Gan-
dersheim. Die Nonne, die in diesen Dramen die ältesten
erhaltenen Denkmäler des deutschen Kunstdramas geschaffen
hat, ist um 1500 wieder entdeckt worden durch den Humanisten-
kreis um Conrad Celtis. Die von Celtis damals geschaffene
Ausgabe ihrer Werke beruhte auf einer jetzt in der Münchener
Staatsbibliothek bewahrten Handschrift. Da die Werke der Ros-
witha sonst nirgends überliefert sind, ist ihre Echtheit schon
bezweifelt und die Ausgabe für eine gelehrte Mystifikation er-
klärt worden. Allen solchen Zweifeln macht nun das Auftauchen
einer zweiten Handschrift ein Ende. Sie entstammt dem zwölften
Jahrhundert, ist also etwa 200 Jahre jünger als die Dichterin,
bietet aber trotzdem wertvolle Aufschlüsse für die Textgestal-
tung der Dramen, da die dem 10. Jahrhundert entstammende
Münchener Handschrift auf eine andere Originalhandschrift der
gelehrten Dichterin zurückgeht. Der Kölner Fund, dessen Be-
deutung Franken im „Neuen Archiv“ der Gesellschaft für
ältere deutsche Geschichtskunde darlegt, enthält die ersten vier
Dramen der Roswitha: Gallicanus, Dulcitius, Calimachus und
Abraham. Dieses Stück behandelt die Bekehrung einer Dirne,
wie ja überhaupt die Dramen der Nonne, die dem schlüpfrigen
Terenz ein christliches Gegenstück an die Seite stellen wollte,
dem Thema der Keuschheit gewidmet sind. Die in der Kölner
Handschrift vereinigten Erstlingswerke der Roswitha sind nach
der Feststellung Paul von Winterfelds das Werk, von dessen
günstiger Beurteilung durch drei gelehrte Männer Roswitha in
dem „Briefe an einige Gönner dieses Buches“ spricht. In der
Kölner Handschrift scheint es sich um die Abschrift eines jener
„Rezensionsexemplare“ zu handeln, die Roswitha gelehrten
Männern zur Beurteilung ihres Könnens und zur Stärkung ihres
Selbstbewusstseins, vorlegte, und von denen sie in jenem Briefe
spricht.
NUMISMATIK.
(Fund). In Eppenrod bei Diez wurde eine größere Anzahl
von rheinischen Münzen des Mittelalters gefunden.
(Das Museum in Linz) erbte die Sammlung des im
Februar d. J. verstorbenen Dr. Rom in Ried.
(Das neue deutsche Hartgeld), das der Papier-
wirtschaft für die kleinen Beträge ein Ende machen soll, wird
nach einem Entwurf des Münchner Prof. Josef Wackerle
ausgeführt. Die eine Seite der neuen Geldstücke trägt einen
Adler. Während Wackerle in seinem anfänglichen Entwürfe dem
Tiere eine bewegte Form gegeben hatte, ist es in dem ange-
führten Entwurf von straffer, schnittgereehter Gestalt, von vorn
gesehen mit ausgebreiteten Schwingen. Die andere Seite trägt
die runde Umschrift: Deutsches Reich und unten zwei kleine
Eichelzweige ; in der Mitte steht in grossen Antiquabuchstaben
die Wertangabe. Das Einmarkstück erreicht nicht ganz die Ab-
messung der alten „Goldmark“, das Fünfmarkstück hat etwa
Talergrösse.
PHILATELIE.
(Neuheiten.) Demnächst werden in Oesterreich
neue Strafportomarken im Werte von 10, 15, 20, 25, 40, 50,
100, 150 und 200 Kronen ausgegeben. Während die quadratischen
 
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