AUS UNSERER KÜNSTLERMAPPE.
Von GEORG FRIESE.
Wie in den früheren Jahren, so bringen wir auch in diesem Jahre eine Anzahl von
Skizzen und Studien hervorragender Künstler den Lesern in getreuer Wieder-
gabe zur Anschauung. Sie sollen zeigen, wie der Künstler skizziert, wie der
Künstler beobachtet. Sie sollen zeigen, wie weit auch die besten unserer Schüler-
arbeiten noch von wirklicher Kunst entfernt sind, sollen zeigen, daß auch die besten
Schülerarbeiten nicht mehr sind als ein künstlerisches Lallen. Dem einsichtigen
Fachmann wird dabei nichts Neues gesagt; aber mancher, dessen eigene künstlerische
Bildung nicht ausreichend gewesen ist, fühlt nur zu leicht in dem Glauben sich
bestärkt, daß die äußerlichen Allüren einer Künstlerskizze — man vergleiche z. B.
die herrlichen Liebermannschen Skizzen im L Bande des Jahrbuches —, die sich
ja gar oft auch in besseren Schülerzeichnungen „finden, Zeichen künstlerischer Auf-
fassung sind. So kommt es leicht zu einer Überschätzung der Schülerarbeiten..
Geniale Flüchtigkeit, leicht hingeworfene Striche, die die Form nur ahnen lassen,
werden als wahre Kunst betrachtet. Darunter leidet dann die Erziehung des Schülers
zum Formenverständnis, das doch schließlich die Grundlage jeder bildenden
Kunst sein muß, in erheblicher Weise; eine gewisse Gefühlsduselei tritt an die
Stelle ernsten Fleißes, konsequenten Strebens. Und das Schlimmste ist, der Schüler
glaubt, er habe sich künstlerisch betätigt, seine Arbeit sei „Kunst". Derartiger
Unterricht ist weder für die Kunst noch für die Schüler vorteilhaft. Zum Verständnis
wahrer Kunst gelangen sie nicht. Und für das Leben, das für alle praktischen Be-
rufe Formenverständnis, Verständnis der Formensprache verlangen muß, ist durch
solchen Unterricht nichts erreicht. Die bildende Kunst kann gründliches Studium
der Formen nicht entbehren, der Künstler kann des Verständnisses der Gesetze
der Erscheinung nicht entraten. Deshalb gibt es in der bildenden Kunst auch keine
sogenannten Wunderkinder wie beispielsweise in der Musik, die nur den Ausdruck
einer Empfindung durch Töne anstrebt, deren Wiedergabe durch das Instrument
sich von begabten jungen Leuten in verhältnismäßig kurzer Zeit erreichen läßt. Der
bildende Künstler muß arbeiten, sich jahrelang abmühen, um das Auge zu schulen
und in den Zusammenhang der Formenwelt einzudringen. Auch die größten Genies
haben eine harte Schule durchmachen müssen. Ich erinnere nur an Michelangelo,
Lionardo, Dürer. Und nicht aufgehört haben sie mit dem Studieren der Formen-
welt ihr ganzes Leben hindurch. Ich weise hin auf die diesbezüglichen im Ab-
schnitte „Japan" dieses Bandes zitierten Worte des größten der japanischen Maler
Hakusai.
Tiere und Landschaften stellen Schüler gar zu gern dar. Und wenn das nach
der Natur geschieht, so ist von unserem Standpunkte aus nichts dagegen einzu-
wenden, ebenso wenn es nebenbei geschieht und der Schüler das verständnisvolle
Darstellen einfacher Formen, die seinem Geiste keine unüberwindlichen Schwierig-
keiten darbieten, nicht vernachlässigt.
Es dürfte deshalb den Lesern willkommen sein, in diesem Jahrgange einen
Meister der Tierdarstellung und einen Meister in der Kunst der Landschaft in ihren
Studien vorgeführt zu sehen. Zu manchem Vergleiche mit den Schülerdarstellungen
wird der Lehrer hierdurch angeregt, und das ist der Zweck der Darbietung. Den
liebenswürdigen Künstlern aber, die ihre Kunst für diese Zwecke uns zur Verfügung.