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Jahrbuch für den Zeichen- und Kunstunterricht — 3.1907

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Des Jahrbuches vierter Teil. Überblick über den Stand des Zeichenunterrichtes in den verschiedenen Ländern
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Erste Abteilung. Deutsches Reich
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Böhling, W.: Hamburg: Geschichtliche Entwicklung des Zeichenunterrichts
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https://doi.org/10.11588/diglit.74115#0217

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5. Kapitel. Hamburg. Geschichtliche Entwicklung des Zeichenunterrichtes. 193
Die Vorrede dieser Schrift lautet:
„Lange schon fühlte ich das Bedürfnis einer kleinen Schrift, welche dazu
dienen könnte, dem Kinde auch theoretische Kenntnisse vom Zeichnen zu ver-
schaffen. — Um nun diesem erwähnten Bedürfnis bei meinen Zeichenschülern
abzuhelfen, habe ich mich der Mühe unterzogen, eine solche kurze Anleitung
nach den besten Werken und meiner eigenen Erfahrung auszuarbeiten. In selbiger
Schrift sollen alle Teile der Zeichenkunst nebst ihren Hilfswissenschaften ab-
gehandelt werden. ... Erlaubte zwar der Platz nicht, jeden einzelnen Teil sehr
auszudehnen, indem diese Hefte für Kinder bestimmt sind und daher einen
niedrigen Preis haben müssen, so werde ich doch nichts übergehen, und wünsche
schließlich, daß sie recht vielen Nutzen schaffen mögen."
Hamburg, J. H. Hübener,
im Dezember 1833. Zeichenlehrer.
Über den Nutzen der Zeichenkunst spricht sich der Verfasser im ersten Ab-
schnitt folgendermaßen aus:
„Man möchte fast die Behauptung beweisen können: „Die Zeichenkunst ist
der Menschheit so nötig als die Hand zum Essen."
Die Zeichenkunst ist eine Sprache, in welcher man viel denkt, ohne
sich darin ausdrücken zu können; bei ihr vertreten die Hände, was beim Sprechen
die Zunge ist. Sie ist oftmals ein geschickter Dolmetscher der Gedanken und
hilft da fort, wo die Sprache uns verläßt. Mit Recht also macht sie einen Teil
unserer Sprache aus, und wer sollte sich nicht bemühen, seine Muttersprache von
allen Seiten kennen zu lernen?
Zu wünschen wäre es, wenn alle Kinder zeichnen lernten, weil es fast zu
jedem Geschäfte und jeder Profession nötig ist.
. . . Man merkt, daß die jetzige Generation auf die Zeichenkunst einen größern
Wert legt als unsere Vorfahren, indem fast ein jeder schon Zeichnen in seinen
Schuljahren lernt."
Im 2. Abschnitt bespricht der Verfasser die Massen, auf denen gezeichnet wird,
die Materialien, mit denen man zeichnet und die verschiedenen Zeichenmanieren,
unter denen er Kreide- und Rötelzeichnungen nebst den Tuschzeichnungen besonders
hervorhebt. In bezug auf die letzteren unterscheidet er Arbeiten nach der ge-
waschenen, schraffierten und punktierten Tuschmanier. Daß von diesen drei
Manieren die letztere besonders beliebt war, beweisen verschiedene Zeichenbücher
aus den Jahren 1825—1829, in denen vor allem die Bäume mit peinlichster Sorgfalt
behandelt sind.
Einen belustigenden Eindruck macht der dritte Abschnitt, der in größter Breite
und dem ernsthaftesten Tone von den „Erleichterungsmitteln beim Nachzeichnen"
spricht. Als solche werden genannt: das Gitter oder Netz, der Storchschnabel,
das Kalkieren (Durchzeichnen mit Hilfe eines mit Öl getränkten Blattes), das
Kopieren an der Scheibe und das beim Abzeichnen von Statuen anzuwendende
Verkleinern durch den Flor und die Scheibe, wobei man den zu zeichnenden Gegen-
stand durch ein Visier (ein Stück Blech mit einem kleinen Loche) betrachtet und
seine Umrisse auf dem Flor nachzeichnet.
Über das Schattieren (abgehandelt im 4. Abschnitt des 1. Heftes) hat der Autor
sehr verständige Ansichten. Er sagt:
„Diese Lehre ist die schwerste in der Zeichenkunst und kann nie genügend
beschrieben werden. Ohne anhaltendes, genaues und aufmerksames Betrachten
der Natur und guter Muster wird ein Zeichner nie mit derselben ganz ins Reine
kommen. Er muß mehr fühlen und selbst suchen, als ihm gesagt werden kann.
Jedem, dem es zu tun ist, gute Kenntnis in der Schattierkunst zu erhalten, muß
notwendig die Schatten in der Natur betrachten und mit Körpern von mancherlei
Formen Versuche in der Sonne anstellen." Dann spricht er in treffender Weise
über Schlagschatten, Eigenschatten und Lichtstellen am Körper.
Dürftig ist dagegen der 5. Abschnitt: „Lehre über Perspektive." Die Möglich-
keit einer unbefangenen Auffassung des Gegenstandes hat er nicht erkannt, vielmehr
gibt der ganze Abschnitt in populärer Form einige Hauptregeln der theoretischen
Perspektive.

Friese, Jahrbuch III.

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