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Jahrbuch für den Zeichen- und Kunstunterricht — 3.1907

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Des Jahrbuches vierter Teil. Überblick über den Stand des Zeichenunterrichtes in den verschiedenen Ländern
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Erste Abteilung. Deutsches Reich
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Böhling, W.: Hamburg: Geschichtliche Entwicklung des Zeichenunterrichts
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https://doi.org/10.11588/diglit.74115#0218

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194 5. Kapitel. Hamburg. Geschichtliche Entwicklung des Zeichenunterrichtes.
Das 2. Heft behandelt im ersten Abschnitte die „Ordnung und Methode im
Zeichnen." Zwar ist er in dem Wahne, das Nachzeichnen (Kopieren) sei die ge-
gebene Vorstufe des Zeichnens nach der Natur; aber er ist sich dessen klar bewußt,
daß das Naturzeichnen von jedem geübt werden muß, der Zeichner im Vollsinne
des Wortes werden will.
„In allem, was man lernt, muß man vom Leichten zum Schweren übergehen
und vorzüglich die Organe üben, die zur Ausübung des Erlernten nötig sind. Der
Zeichner muß das Auge üben, damit es die Verhältnisse der Gegenstände richtig
auffasse und die Hand am treuen Nachzeichnen 9 des richtig Aufgefaßten gewöhne.
Alles Abbilden eines Gegenstandes geschieht vermittelst gerader und krummer
Linien. Da erstere die leichtesten und wichtigsten sind, so muß man mit ihnen
den Anfang machen. Um nun dieses so angenehm als möglich zu machen,
können solche Gegenstände dazu gewählt werden, die von geraden Linien begrenzt
sind, z. B. ein Brief, eine Tür, ein Fenster, ein Haus, ein Dammbrett, ein Kasten,
ein Würfel, eine Kiste, ein Tisch u. dgl. m.
Ist hierin der Zeichner schon ziemlich fest, so kann der Anfang gemacht
werden mit den regelmäßig und unregelmäßig krummen und geraden Linien.
Diese aber suche der Lehrer verbunden seinen Schülern vorzulegen und ein-
zuüben. Auch hierzu werden Abbildungen von bekannten Gegen-
ständen gute Dienste leisten, z. B. ein Stuhl, Sofa, Auge, Ohr, Mund, Nase,
Blume usw.
Nach diesen verschiedenen Übungen können allmählich größere und schwerere
Zeichnungen, die gut zum Nachzeichnen sind, genommen und geübt werden.
Hat der Schüler im Nachzeichnen eine ziemliche Gewandtheit erlangt, so ist
die Natur der beste Lehrmeister, wo er selbst alles aufsuchen und nachzeichnen
muß, und nur so wird er im wirklichen Sinne ein Zeichner; denn leider
sind viele nur bloße Nachzeichner und können selbst den kleinsten,
leichtesten Gegenstand nicht richtig nach der Natur zeichnen, haben
überhaupt keinen richtigen Begriff von dem Perspektiv und der Haltung einer
Zeichnung."
Die folgenden Abschnitte behandeln das Zeichnen von Figuren, Tieren, Land-
schaften, Blumen, Früchten und die Herstellung von „Rissen, mancherlei Haus-
geräte zu verfertigen." Ihm schwebt also bereits der Gedanke vor, das Projektions-
zeichnen in der Schule zu behandeln, und zwar fordert er, daß die Unterweisung
sich erstrecke auf die Herstellung von Rissen für einfache Möbel, z. B. Schränke,
Tische u. dgl. — Einzelne Goldkörner aus den angedeuteten Abschnitten seien hier
noch hervorgehoben:
„Diese nach Gips gezeichneten Figuren dürfen aber bei diesem (d. h. Zimmer-)
Licht nicht in einer Landschaft angebracht werden; weil das freie Licht bekannt-
lich andern Schatten als das eingeschlossene hervorbringt."
„Der beste Rat für den Landschaftszeichner wäre: die Natur fleißig zu be-
suchen und wirklich aufmerksam zu betrachten, wie auch gute, nach der Natur
gezeichnete Zeichnungen und Gemälde kopieren. Die Natur hat dem Zeichner
eine Schule eröffnet, wo er für jede Gattung des Schönen die vollkommensten
Muster findet, wo er jedem einzelnen Teile derselben seine Aufmerksamkeit
widmen muß; denn die Studien des Details sind das der Kunst, was die Vokabeln
beim Erlernen der Sprache sind. — Auch muß mehr auf Einheit, große Partien
und ansehnliche Massen als auf die Menge der Gegenstände gesehen werden,
welche, wenn sie nicht durch eine verständige Behandlung des Halbdunkels zu
ganzen Massen verbunden sind, mehr dienen, das Auge zu verwirren als zu be-
friedigen und vergnügen."
Andererseits enthält dieser Teil viele Anweisungen, die uns außerordentlich
überflüssig und befremdend erscheinen.
Der Abschnitt vom Zeichnen der Tiere bringt auf Seite 17—24 eine Aufzählung
der „Verhältnisse der Teile" der verschiedenen Tiere und zwar des spanischen
Pferdes, Esels, Stiers, Ochsen, Widders, Schafes, Bocks, der Ziege, des wilden
1) Wörtlich nach dem Original.
 
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