9, Kapitel. Belgien. Der Zeichenunterricht in den Mittelschulen Belgiens. 317
C. KRITISCHER TEIL. — DER GEIST DES PROGRAMMES.
Dieser Teil unserer Arbeit wird verschiedene Abschnitte enthalten müssen.
Wir werden nacheinander kurz die Verteilung der Stunden, die dem Zeichen-
unterricht in den verschiedenen Abteilungen gewidmet sind, betrachten, die An-
sprüche, die die Zeichenprofessoren erheben können, die Ausstattung des Zeichen-
saales, die Frage der Modelle und Vorlagen und den Geist der Lehrpläne kritisch
beleuchten, d. h. die Fortschritte, die anzustreben sind, zum Ausdruck bringen.
1. Verteilung der Stunden.
Ein wichtiger Punkt verdient hier ins rechte Licht gestellt zu werden. Eine
Art Mißtrauen hat lange Zeit den Zeichenunterricht umgeben. Man enthielt sich
nicht, ihn einfach als ohne besondere Bedeutung zu betrachten, und gar manche
hielten seinen Wert für sehr gering. Vielmehr wurde er als ein Mittel zur Unter-
haltung betrachtet und diese Verirrung ist noch heute nicht ganz verschwunden.
Das Zeichnen stand allgemein im Range an zweiter Stelle. Es teilte dieses Schick-
sal mit dem Turn- und Musikunterricht, kurz mit den Fächern, die als sekundäre,
als Hilfsfächer angesehen wurden und wurde gewissermaßen lächerlich gemacht
durch das geringe Maß von Achtung, die man ihm entgegenbrachte, ebenso wie ge-
wissen anderen fakultativen Hilfsfächern (Tanzen usw.).
Seit einigen Jahren hat sich eine heilsame Änderung vollzogen, und es ist ge-
recht, dies zum großen Teil dem von M. Inspecteur Breithof ausgeübten Einfluß
zuzuschreiben. In seiner Eigenschaft als Professor der höheren Mathematik an
der katholischen Universität Löwen erfreute er sich großes Ansehens bei den jungen
Schülern der Mittelschulen und Athenäen und selbst bei den Professoren dieser
Lehranstalten.
Eine der Folgen dieses glücklichen Umschwunges ist, daß die Lage des Zeichen-
unterrichtes in diesen Schulen sehr gehoben ist ebenso wie das Ansehen der
Zeichenprofessoren, die vordem einfach Parias waren und nicht viel mehr geachtet
waren als Arbeitsaufseher.
Der allgemeine Unterrichtsplan hat heute dem Zeichenunterricht diejenige Be-
deutung zuteil werden lassen, die ihm zukommt.
Diese Stundenpläne unterliegen stets der Genehmigung der Regierung, aber sie
variieren recht oft je nach der Stadt oder sonstigen Umständen.
In der allgemeinen eigentlichen Mittelschule — nicht aber weder in der Vor-
schule noch in den Fachabteilungen — beträgt die wöchentliche Stundenzahl je
drei in jeder Klasse.
Das ist nicht übermäßig, aber es ist genügend, zumal diese Zeit beinahe den
zehnten Teil der Gesamtstundenzahl umfaßt, die für alle Teile des offiziellen Lehr-
planes dieser Lehranstalten ausgesetzt ist. Andererseits widmet man dem Zeichnen
mehr Zeit (3 Std. wie schon gesagt) als der Religion (2 Std.), der Geographie (1 Std.),
den Naturwissenschaften (2 Std.), der Musik (1 Std.) und dem Turnen (2V2 Std.).
In der Handelsfachabteilung ist das Zeichnen nicht im Programm aufgeführt!
Aber die Musik ist bedacht!
In der industriellen Abteilung ist das Zeichnen am Fachunterricht obligatorisch
beteiligt. Im ersten Jahre ist es sogar das Fach, dem die meiste Zeit gewidmet wird,
nämlich fünf Stunden gegenüber vier der Mathematik, der Muttersprache und einer
zweiten Sprache. Im zweiten Jahre umfaßt das Zeichnen vier Stunden wöchentlich.
Endlich nimmt in der landwirtschaftlichen Fachabteilung das Zeichnen gleich-
falls teil an dem obligatorischen Fachunterricht, aber es sind in den zwei Jahres-
kursen nur zwei wöchentliche Unterrichtsstunden dafür angesetzt.
2. Stellung der Zeichenprofessoren.
Der Zeichenunterricht in den Mittelschulen ist nur diplomierten Professoren
anvertraut. Wir haben bereits erwähnt, daß diese Regel nur sehr seltene Aus-
nahmen erleidet, und selbst dann sind die Ernennungen immer nur provisorisch
erfolgt bis zu der Zeit, wo der Stelleninhaber seine Angelegenheiten ordnungsmäßig
geregelt hat.
Diese diplomierten Professoren gehören entweder dem Lehrfach an oder nicht;
man ist aber allgemein der Ansicht, daß die Professoren, die schon anderweitig mit
C. KRITISCHER TEIL. — DER GEIST DES PROGRAMMES.
Dieser Teil unserer Arbeit wird verschiedene Abschnitte enthalten müssen.
Wir werden nacheinander kurz die Verteilung der Stunden, die dem Zeichen-
unterricht in den verschiedenen Abteilungen gewidmet sind, betrachten, die An-
sprüche, die die Zeichenprofessoren erheben können, die Ausstattung des Zeichen-
saales, die Frage der Modelle und Vorlagen und den Geist der Lehrpläne kritisch
beleuchten, d. h. die Fortschritte, die anzustreben sind, zum Ausdruck bringen.
1. Verteilung der Stunden.
Ein wichtiger Punkt verdient hier ins rechte Licht gestellt zu werden. Eine
Art Mißtrauen hat lange Zeit den Zeichenunterricht umgeben. Man enthielt sich
nicht, ihn einfach als ohne besondere Bedeutung zu betrachten, und gar manche
hielten seinen Wert für sehr gering. Vielmehr wurde er als ein Mittel zur Unter-
haltung betrachtet und diese Verirrung ist noch heute nicht ganz verschwunden.
Das Zeichnen stand allgemein im Range an zweiter Stelle. Es teilte dieses Schick-
sal mit dem Turn- und Musikunterricht, kurz mit den Fächern, die als sekundäre,
als Hilfsfächer angesehen wurden und wurde gewissermaßen lächerlich gemacht
durch das geringe Maß von Achtung, die man ihm entgegenbrachte, ebenso wie ge-
wissen anderen fakultativen Hilfsfächern (Tanzen usw.).
Seit einigen Jahren hat sich eine heilsame Änderung vollzogen, und es ist ge-
recht, dies zum großen Teil dem von M. Inspecteur Breithof ausgeübten Einfluß
zuzuschreiben. In seiner Eigenschaft als Professor der höheren Mathematik an
der katholischen Universität Löwen erfreute er sich großes Ansehens bei den jungen
Schülern der Mittelschulen und Athenäen und selbst bei den Professoren dieser
Lehranstalten.
Eine der Folgen dieses glücklichen Umschwunges ist, daß die Lage des Zeichen-
unterrichtes in diesen Schulen sehr gehoben ist ebenso wie das Ansehen der
Zeichenprofessoren, die vordem einfach Parias waren und nicht viel mehr geachtet
waren als Arbeitsaufseher.
Der allgemeine Unterrichtsplan hat heute dem Zeichenunterricht diejenige Be-
deutung zuteil werden lassen, die ihm zukommt.
Diese Stundenpläne unterliegen stets der Genehmigung der Regierung, aber sie
variieren recht oft je nach der Stadt oder sonstigen Umständen.
In der allgemeinen eigentlichen Mittelschule — nicht aber weder in der Vor-
schule noch in den Fachabteilungen — beträgt die wöchentliche Stundenzahl je
drei in jeder Klasse.
Das ist nicht übermäßig, aber es ist genügend, zumal diese Zeit beinahe den
zehnten Teil der Gesamtstundenzahl umfaßt, die für alle Teile des offiziellen Lehr-
planes dieser Lehranstalten ausgesetzt ist. Andererseits widmet man dem Zeichnen
mehr Zeit (3 Std. wie schon gesagt) als der Religion (2 Std.), der Geographie (1 Std.),
den Naturwissenschaften (2 Std.), der Musik (1 Std.) und dem Turnen (2V2 Std.).
In der Handelsfachabteilung ist das Zeichnen nicht im Programm aufgeführt!
Aber die Musik ist bedacht!
In der industriellen Abteilung ist das Zeichnen am Fachunterricht obligatorisch
beteiligt. Im ersten Jahre ist es sogar das Fach, dem die meiste Zeit gewidmet wird,
nämlich fünf Stunden gegenüber vier der Mathematik, der Muttersprache und einer
zweiten Sprache. Im zweiten Jahre umfaßt das Zeichnen vier Stunden wöchentlich.
Endlich nimmt in der landwirtschaftlichen Fachabteilung das Zeichnen gleich-
falls teil an dem obligatorischen Fachunterricht, aber es sind in den zwei Jahres-
kursen nur zwei wöchentliche Unterrichtsstunden dafür angesetzt.
2. Stellung der Zeichenprofessoren.
Der Zeichenunterricht in den Mittelschulen ist nur diplomierten Professoren
anvertraut. Wir haben bereits erwähnt, daß diese Regel nur sehr seltene Aus-
nahmen erleidet, und selbst dann sind die Ernennungen immer nur provisorisch
erfolgt bis zu der Zeit, wo der Stelleninhaber seine Angelegenheiten ordnungsmäßig
geregelt hat.
Diese diplomierten Professoren gehören entweder dem Lehrfach an oder nicht;
man ist aber allgemein der Ansicht, daß die Professoren, die schon anderweitig mit