de-s Formcnwesons tculschcr Bauknilst.
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Dicsc kitzliche Frage ist in dcr letzten Zeit mehrsach ansgeworfcir
worden, und nach meiner Uebcrzeugung kann ich nur folgende Antworr
geben: So lange unser religioser Kultus nicht das Bedürfniß fühlt, sich
bestimmter, ihm allein angehörender Formcn zu bcdienen; so lange es
gleichgültig ist, ob unsere Kirchen wie ein römischer Tempel, oder wie
ein mittelalterlicher Dom, oder Basilica, oder irgend belicbig anders aus-
sehen; so lange werden wir in allen möglichen Baustylen bauen, und er-
forderlichen Falles auch ncuseeländisch und chinesisch, wenn es der-
langt würde.
Kein Machtspruch und keinerlei einzelne Autorität nnrd daran etiras
ändern, so lange nicht die Gesammtmasse des Volkesdcr
Kunst bedarf. So lange aber das Volk die K un st nur als
Lurusartikel und als Vorrecht der Reichcn unv Vorneh -
men betrachtet, so lange ist an einen teutschen National -
Baustyl nicht zu denken, und nicht die religiöse Begeisternng, son-
dern das gcmeinste Bedürfniß wird der alleinige Anknüpfungspunkt sür
geniale Formen bleibcn, wne wir in der sogenannten praktischen Richtung
der jetzigen Zeit und dcm mit unerschütterter Gewalt im Ganzen immer
noch herrschcnden Commiß-Styl deutlich erkennen.
Uebersehen wir noch einmal den zurückgelegten Weg, so zeigt sich
deutlich, daß Tcutschland nur dom 13ten bis I6ten Jahrhundert einen
nationalen Baustyl besaß, nnd daß wir jetzt leider darauf niehts iveniger
als Anspruch machen können. Einzelne gut ausgeführte Bauten in den
Resioenzen der teutschen Hcrrscher und Fürsten, sowie, daß man dort im
Allgemcinen ein größercs Streben in den Künsten bcmerkt als in den
Provinzen, beweiset gar nichts gegen die ausgesprochnen Ansichten; denn
gcgen die Gesammtmasse der Bevölkerung stehen diese Bestrebungen, be-
günstigt dnreh ein den Künsicn verderbliches Centralisations - System, so
cinzeln da, daß sie gar nicht in Bctracht kommcn.
Auch wird crinnert, daß alle, nnr materiellen Zwecken oienende,
Bauten, mögen sie noch so umsassend sein, wie ettva Eisenbahnen, Ea-
näle, Kunststraßen u. dgl., nicht zu den Kunstiverken gchören, von denen
bisher immcr nur die Nede war; sic verkörpern kein höheres Jdeal, son-
dern erfüllen nur das allgemeine Bedürfniß.
Es isi srüher die Behauptung aufgestellt worden, daß das höchsie
zn crrcichende Zicl der bildcnden Knnst die Verherrlichung des Gottcs-
dienstes sci; wcnn aber, wie in jetzigcr Zeit allgemein angenommcn wird,
die bildcndcn Künste, gelinde gesagt, mindestens entbehrlich erscheincn^),
) Wctl eS Gcld kostct, seiist licßc man sic sich allcnfallS gefallcn.
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Dicsc kitzliche Frage ist in dcr letzten Zeit mehrsach ansgeworfcir
worden, und nach meiner Uebcrzeugung kann ich nur folgende Antworr
geben: So lange unser religioser Kultus nicht das Bedürfniß fühlt, sich
bestimmter, ihm allein angehörender Formcn zu bcdienen; so lange es
gleichgültig ist, ob unsere Kirchen wie ein römischer Tempel, oder wie
ein mittelalterlicher Dom, oder Basilica, oder irgend belicbig anders aus-
sehen; so lange werden wir in allen möglichen Baustylen bauen, und er-
forderlichen Falles auch ncuseeländisch und chinesisch, wenn es der-
langt würde.
Kein Machtspruch und keinerlei einzelne Autorität nnrd daran etiras
ändern, so lange nicht die Gesammtmasse des Volkesdcr
Kunst bedarf. So lange aber das Volk die K un st nur als
Lurusartikel und als Vorrecht der Reichcn unv Vorneh -
men betrachtet, so lange ist an einen teutschen National -
Baustyl nicht zu denken, und nicht die religiöse Begeisternng, son-
dern das gcmeinste Bedürfniß wird der alleinige Anknüpfungspunkt sür
geniale Formen bleibcn, wne wir in der sogenannten praktischen Richtung
der jetzigen Zeit und dcm mit unerschütterter Gewalt im Ganzen immer
noch herrschcnden Commiß-Styl deutlich erkennen.
Uebersehen wir noch einmal den zurückgelegten Weg, so zeigt sich
deutlich, daß Tcutschland nur dom 13ten bis I6ten Jahrhundert einen
nationalen Baustyl besaß, nnd daß wir jetzt leider darauf niehts iveniger
als Anspruch machen können. Einzelne gut ausgeführte Bauten in den
Resioenzen der teutschen Hcrrscher und Fürsten, sowie, daß man dort im
Allgemcinen ein größercs Streben in den Künsten bcmerkt als in den
Provinzen, beweiset gar nichts gegen die ausgesprochnen Ansichten; denn
gcgen die Gesammtmasse der Bevölkerung stehen diese Bestrebungen, be-
günstigt dnreh ein den Künsicn verderbliches Centralisations - System, so
cinzeln da, daß sie gar nicht in Bctracht kommcn.
Auch wird crinnert, daß alle, nnr materiellen Zwecken oienende,
Bauten, mögen sie noch so umsassend sein, wie ettva Eisenbahnen, Ea-
näle, Kunststraßen u. dgl., nicht zu den Kunstiverken gchören, von denen
bisher immcr nur die Nede war; sic verkörpern kein höheres Jdeal, son-
dern erfüllen nur das allgemeine Bedürfniß.
Es isi srüher die Behauptung aufgestellt worden, daß das höchsie
zn crrcichende Zicl der bildcnden Knnst die Verherrlichung des Gottcs-
dienstes sci; wcnn aber, wie in jetzigcr Zeit allgemein angenommcn wird,
die bildcndcn Künste, gelinde gesagt, mindestens entbehrlich erscheincn^),
) Wctl eS Gcld kostct, seiist licßc man sic sich allcnfallS gefallcn.