Kunsthistorisches Institut <Wien, Universität> [Hrsg.]: Jahrbuch des Kunsthistorischen Institutes (5.1911)

Fig. 7 Trient, Adlerturm

Ein Freskenzyklus im Adlerturm zu Trient

Von Betty Kurth

Vorbemerkung

Den Mittelpunkt der nachstehenden Untersuchung bildet ein Freskenzyklus, der sich im
Adlerturm zu Trient befindet. Dargestellt sind die Tätigkeiten des Menschen während der
zwölf Monate des Jahres. Die Malereien verdienen nicht nur als wohlerhaltenes Denkmal
der monumentalen Profanmalerei aus dem Beginn des XV. Jhs. Beachtung, sondern sie ver-
langen auch wegen ihrer künstlerischen Qualitäten und der Eigenart ihres Stiles eine ein-
gehende Würdigung.

Das Ziel dieser Arbeit soll der Versuch sein, den Stil dieses einzigartigen Werkes in
seine Elemente aufzulösen, es zu datieren und ihm seine Stellung in der Entwicklungs-
geschichte der Malerei anzuweisen. Die größte Schwierigkeit bot hierbei der Umstand, daß
fast alle zum Vergleich herangezogenen Denkmäler erst datiert werden mußten. Dokumente
oder Urkunden, die historische Anhaltspunkte geboten hätten, waren nicht zu finden, und
so erwies es sich, um eine Stütze für die Datierung und Einordnung zu gewinnen, als
notwendig, die Entwicklung der Kunst in Verona und Oberitalien, die mehr Vergleichs-
material bot als die noch ganz unerforschte Kunst Tirols, ausführlicher zu schildern, als es
dem Ausgangspunkt der Arbeit entsprochen hätte.

Andererseits mußte das Material eine Einschränkung erfahren dadurch, daß, abgesehen
von wenigen Ausnahmen, nur Denkmäler der weltlichen Kunst herangezogen wurden. Es
ergab sich diese Umgrenzung methodisch von selbst, da sich einerseits die Werke der
höfischen Malerei durch gemeinsame Entwicklungstendenzen zu einander ordneten, anderer-
seits die Profankunst in dem von uns besprochenen Zeitraum für die Weiterentwicklung
der Probleme der Malerei von ausschlaggebender Bedeutung war.

KunstgeschichtHcbcs Jahrbuch der k. k. Zcntral-Kommission 1911 2