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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 5.1890

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Puchstein, Otto: Die Parthenonscultpturen
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https://doi.org/10.11588/diglit.37651#0088
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8o

Puchstein, Die Parthenonsculpturen.

Künstlers nur deswegen verschweigt, weil er ihn als allgemein bekannt voraussetzt,
so wird man jetzt bei dem übereinstimmenden Urteil über den Charakter der Attika
des Pausanias4 dies Schweigen gewifs nicht mehr in demselben Sinne aufzufassen
genötigt sein. Mehr Gewicht hat dagegen ein anderer Grund, den Visconti für
seine Überzeugung anführt, dafs nemlich nach Plutarchs Bericht über die Rolle, die
Phidias bei den unter Perikies ausgeführten Kunstwerken gespielt hat, kein Zweifel
betreffs des Urhebers der Parthenonsculpturen möglich sei. Dieser Punkt mufs
sorgfältiger untersucht werden als es Visconti gethan hat.
Nachdem Plutarch im Leben des Perikies c. 12 und 13 die aufserordentli-
chen Anstrengungen in damaliger Zeit auf allen Gebieten der Kunst und des
Gewerbes geschildert und namentlich hervorgehoben hat, wie diese in einen kurzen
Abschnitt zusammengedrängte Tätigkeit für die ganze Folgezeit dauernden Wert
behalten habe, äufsert er sich über Phidias’ Stellung zu den künstlerischen Bestre-
bungen des Perikies dem Sinne nach etwa so: »obwohl jedes Werk seinen eigenen
Architekten und Künstler hatte, und dies hervorragende Leute waren — wie Kalli-
krates5 und Iktinos, die Baumeister des Parthenon (der erstere aufserdem auch der
Erbauer der langen Mauern), ferner die eleusinischen Architekten Koroebos, Meta-
genes und Xenokles, der (nicht genannte) Erbauer des Odeion, endlich Mnesikles,
der Architekt der Propyläen, so erteilte doch eigentlich Phidias alle Anweisungen
(mxvta oisTtts) und von ihm hing fast alles ab (ttocvza yjv c/yoov sV autio); als Freund
des Perikies hatte er die Aufsicht über alle Werke und alle Künstler (üctv-mv eiu-
c/o7roc -/)v, Ttasiv sireGTaxsi xoR tsyvitoac ota cptXtav llcptzXsouc); er selbst aber stellte das
Goldelfenbeinbild der Athena Parthenos her und als dessen Verfertiger ist er aus-
drücklich in der Urkunde über die Statue genannt.«
In dieser Schilderung unterscheidet Plutarch sorgfältig zwischen dem was Phidias
selbst gearbeitet hat, und dem was unter seiner Aufsicht und nach seinen Angaben
und Ratschlägen Perikies durch andere grofse Künstler herstellen liefs. War trotz-
dem Visconti zu der Annahme berechtigt, dafs Phidias auch bei den zu der letz-
teren Art gehörigen Unternehmungen seines Freundes selbst die Hand mit angelegt
oder eigene Entwürfe und Modelle geliefert und diese in seiner Werkstatt habe
ausführen lassen? Es wird allerdings immer mifslich bleiben, nach den allgemeinen
Ausdrücken Plutarchs für einen einzelnen Fall auch nur im Umrifs zu bestimmen,
wie weit Phidias’ Aufsicht und Beratung oder was sonst unter dem oisrnsTv zu ver-
stehen ist, zugleich den individuellen Stil des ausführenden Künstlers beeinflufst
haben mag, aber Viscontis Interpretation, die auch dazu zwingen würde Phidias
unter die Baumeister einzureihen und ihn für den architektonischen Stil jener peri-
kleischen Bauten verantwortlich zu machen, geht meines Erachtens viel zu weit;
sie könnte nur dann als möglich gelten, wenn sich mit anderen Mitteln zwischen
den nur beaufsichtigten und den eigenhändigen Werken des Künstlers mindestens
4) Vgü zuletzt W. Gurlitt, Über Pausanias 2f. 69,14. (AeXti'ov 1889 S. 255) bemerkt hat, der in dem
5) Mit diesem Kallikrates ist gewifs, wie Lölling athenischen Decret Bull, de corr. hell. XIV 1890,
177 genannte Architekt Kallikrates identisch.
 
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