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Deutsches Archäologisches Institut [Editor]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Editor]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 20.1905

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Nr. 2
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Pfuhl, Ernst: Das Beiwerk auf den ostgriechischen Grabreliefs, 1, Die Denkmäler
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https://doi.org/10.11588/diglit.47181#0105
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96

Pfuhl, Das Beiwerk auf den ostgriechischen Grabreliefs.

und Hof, Palästra und Heiligtum ebenso häufig fanden wie auf den Friedhöfen 236,
waren längst beliebte Bestandteile künstlerischer Kompositionen geworden — man
gedenke nur der großen Rolle, die die Stütze bei Praxiteles spielt; die Handwerker
werden sich also auch bei sepulkralen Bildern nicht immer bewußt gewesen sein
daß in diesem Zusammenhänge jedes Pfeilerchen und jede Herme zum Grabdenkmal
werde. Schließlich sei auf die kleinen Säulen und Pfeiler hingewiesen, die in Gräbern
von Myrina gefunden worden sind 237 : sie bedeuten offenbar ebenso wie Naiskoi und
Stelchen aus Terrakotta das Grabmal.
Die in hellenistischer Zeit verbreitete Darstellung des Toten am Grabe ist
keine Erfindung dieser Zeit. Sie tritt uns bereits auf den attischen weißen Lekythen
fünften Jahrhunderts ausgebildet entgegen238. Zu ihrer Entstehung mag die Wiedergabe
von Grabstatuen im Bilde beigetragen haben 239. Die Wurzel der Erscheinung liegt
freilich in der Tiefe des religiösen Empfindens und formal wiesen die Eidola, die
man schon viel früher um das Grab fliegend malte, den Weg zu rein mensch-
licher Darstellung des Toten am Grabe. Wie sich daneben stets die alte Schlangen-
form der Seele erhielt, haben wir oben gesehen. — Auch unter den attischen Grab-
reliefs gibt es nun eine Anzahl, welche den Toten an seinem Grabmal zeigen. Zwar
darf man bei den attischen Reliefs noch weniger als bei den Terrakotten jeden
Pfeiler und jedes Säulchen als Grabdenkmal auffassen — bisweilen scheint ein
Hausgerät damit gemeint zu sein, meist hat man ein bedeutungsloses Kompositions-
element vor sich — aber eine geschlossene Gruppe von Grabsteinen läßt doch
keinen Zweifel über die Bedeutung der Pfeiler, Stelen, Säulchen: die Reliefs vom
Typus des Jünglings vom Ilissos. Eines von ihnen zeigt den Toten traurig an die
Lutrophoros gelehnt240. — Die Verbreitung solcher Darstellungen von Attika aus lehren
die unteritalischen Vasen kennen241. Auch unsere Grabstelen entstammen der gleichen
Wurzel, wenn auch in der Stimmung kaum eine mehr an die attischen Werke
erinnert 242. Der Typus war zur geläufigen Münze geworden; man mengte ihn oft
ganz äußerlich mit anderen Typen, und wenn etwas Neues hinzutrat, so entstanden
hübsche Genrebildchen von Kindern und bescheiden angedeutete Landschaftsbilder.
Das Ethos der großen Zeit war dahin.
Göttingen. Ernst Pfuhl.
(Fortsetzung folgt.)

236) Belege von den attischen Vasen bis zu den
pompeianischen Bildern und den Sarkophagen.
237) Necropole, Catalogzie Nr. 392 ff. 392 ist ein aus
Quadern mit Werkzoll und Hebebossen aufge-
bauter Pfeiler, es ist also wohl ein besonders
stattliches Denkmal gemeint. Vgl. S. 242 ff.
238) Die Literatur bei Watzinger S. 18 f.
23‘9 Weißhäupl, Eranos Vindb. S. 51. Lehrreich ist
der Vergleich der Reiterstatue Athen. Mitt. XVI
T. 8 mit dem Reiter auf einer Lekythos in
Berlin, Furtwängler Nr. 2677.

2i0) Conze T. 184; vgl. T. 205, 2iof. Siehe Weiß-
häupl a. a. O. S. 52ff., welcher S. 51, 4 wohl
mit Recht auch in der Lutrophoros neben der
Sitzenden mit dem Kinde ein Grabmal sieht,
vgl. unsere Reliefs mit den Pfeilern; man müßte
dann freilich das Mädchen und das Kind als
Geschwister auffassen.
241) Watzinger a. a. O. (Patroni).
242) Z. B. die Stele aus Chios, oben S. 54 Nr. 21,
Abb. 9.
 
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