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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 20.1905

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Nr. 2
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Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Der Leichenwagen Alexanders des Grossen
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https://doi.org/10.11588/diglit.47181#0113
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von Wilamowitz-Möllendorff, Der Leichenwagen Alexanders des Großen.

»Dann brachten sie hinzu den Wagen, der dies fortbringen sollte.« Hiero-
nymos weiß zu erzählen wie ein verständiger Mensch, progressiv, so daß sich die
Beschreibung belebt. Der Sarg ist aufgebahrt, die Kutsche fährt vor. »An dem
Wagen war oben eine καμάρα, mit einem Belag von goldenen edelsteinbesetzten
Schuppen 8 X 12 Ellen groß2.« Was ist καμάρα? Das ist die Hauptsache. Hier ist
es das Dach, und so noch öfter in der Beschreibung; aber einmal redet Hieronymos
auch von dem Eingang in die καμάρα: da ist sie der bedachte Raum. Und einmal
ist die Rede von einem Teile des Untergestelles, der »mitten in die καμάρα« ein-
gelassen war: da bezeichnet sie den Boden. Sie ist also das ganze Gebäu, das sich
auf dem Rädergestell des Wagens befindet; je nach dem Zusammenhang wird dabei
an einen ihrer Teile gedacht, und das »Verdeck« ist die Hauptsache; der Gebrauch
dieses deutschen Wortes liefert eine Analogie von vielen. Müller hat sich das Ver-
ständnis verschlossen, weil er bei der Frage nach der Wortbedeutung die Sprach-
geschichte zu wenig bedacht hat. Was das Wort im Spät- und Neugriechischen
heißt, hat für das 4. Jahrhundert v. Chr. keinen Wert. Es ist karischer Herkunft
und bedeutet den »sicheren« bedeckten Raum3. Es ist witzig, daß die Vasen von
Kamares in dem Namen unwissentlich karische Herkunft bekennen. Herodot, der
halbe Karer, wendet es zuerst einmal an; dann ist es wie unzähliges aus dem
Ionischen in alle Sprachen gelangt. Die alten Attiker hatten es nicht gehabt, daher
perhorreszierten es die Attizisten, während es im Leben unausrottbar war4. Die
nächste Erwähnung nach Herodot ist in den Ephemeriden Alexanders5, wo es
Schlafzimmer, Kammer ist. Hier ist die Herodotstelle entscheidend: bei ihm ist
καμάρα ein geschlossener Wagen6, also was die Ionier sonst (bei den Skythen z. B.)

2) ή? κατεσκεύαστο κατά μέν τήν κορυφήν καμάρα
χρυσήν (χρυσή vulgo) εχουσα φολίδα. Schon der
Hiatus fordert die Verbesserung, aber es versteht
sich auch von selbst, daß die Decke von Holz
war und auf ihr nur ein goldener Belag. Die
Überlieferung dieser Bücher Diodors ist unbe-
kannt. πήχυς und später δάκτυλος sind zwar
Maße, aber es ist überhaupt ein Hineintragen
unserer Verhältnisse, wenn man in griechischen
Literaturwerken, die sich an das große Publikum
wenden, einen bestimmten metrologischen Wert
sucht. Das konnten die Griechen selbst nicht
wollen, bei denen nicht nur die verschiedensten
Maßsysteme bestanden, sondern die praktisch
gebrauchten Maße so stark verschieden waren,
wie es mangelhafte staatliche Kontrolle immer
hervorbringen muß. Da war es ein Segen, daß
der Zoll ein Finger, der Fuß ein Fuß und die
Elle eine Elle war, so daß der Körper immer
einen ungefähren Maßstab gab. Bei dem hat
man sich beruhigt, und wir müssen es auch tun.
3) Schol. Oribasius IV, 532: δτι ό Απολλώνιος ΐν
τοϊς Καρικοϊς φησι κατά Καρών διάλεκτον κάμαρα

λέγεσθαι τά ασφαλή. Apollonios ist der zuver-
lässigste Zeuge für die karische Sprache; das
Bruchstück fehlt noch in der Fragmentsammlung
von Geffcken (de Stephano Byzantio, Göttingen
1886). Eine Stadt Καμάρα auf Kreta verzeichnet
Stephanus: wieder einBe weis für die Karer auf Kreta.
4) Photius Bibi. 454, 33 mutzt es dem Agathar-
chides auf, den er verkehrterweise für einen
Attizisten hält.
5) Arrian 7, 25, 3. Die Stelle steht in meinem
Lesebuche erläutert, auch die karische Herkunft
des Wortes; Arrian setzt die ionische Vokabel
in κοιτών um, Plutarch in θάλαμος. Interessant
ist die Verwendung von καμάρα für kleine Boote,
άκάτια, räuberischer Stämme am Kaukasus, die
Strabon XI, 496 aus eigener Kenntnis mitteilt.
Die Boote sind sicherlich offen, da sie von den
Leuten auf den Schultern getragen werden können;
hier ist also die Grundbedeutung ασφαλές in anderer
Richtung als auf die Bedachung entwickelt.
6) 1, 199; zur Prostitution für Mylitta fahren die
vornehmen Frauen έπι ζευγέων έν καμάρηισιν, um
sich nicht unter die Menge zu mischen.
 
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