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Deutsches Archäologisches Institut [Editor]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Editor]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 20.1905

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Nr. 2
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Goepel, Max: Zum betenden Knaben und zur springenden Amazone
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https://doi.org/10.11588/diglit.47181#0121
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I 12

Goepel, Zum betenden Knaben und zur springenden Amazone.

springt, wenn sie überhaupt springt. Da könnte man schon eher daran denken,
wie Michaelis es tut, daß sie sich mit Hilfe der langen Lanze aufs Pferd schwingen
wolle (Xenoph. περί ιππικής 7,1 : άπδ δόρατος αναπηδάν). Dann wäre wenigstens ver-
ständlich, daß sie Köcher und Bogen trägt; zu einem Stabsprunge wird man sich
schwerlich mit diesen hindernden, gerade an der linken Seite besonders hindernden
Waffen versehen. Ich will auf die Bedenken gegen diese Annahme, wie das Fehlen
des Pferdes, nicht eingehen, um wieder auf die technische Seite der Frage zu
kommen.
So wie die Amazone dargestellt ist, bereitet sie sich gewiß nicht zu einem
Sprunge vor. Die Bewegung, die man dann tatsächlich mit den Armen macht, ist
ganz anders. Man nimmt den Stab mit der Spitze nach vorn, beugt beide Arme
im Ellbogengelenk und faßt den Stab mit beiden Händen ganz fest; die linke Hand
befindet sich vor dem Körper, die rechte in dem Augenblick, wo man gerade die
Spitze des Stabes in den Boden einsetzt, etwa in Kopfhöhe. Auch bei dem Sprunge
selbst bleibt der linke Arm, auf den man sich stützt, gebeugt; ich betone das, weil
Michaelis anzunehmen scheint, daß beim Sprung der Arm gestreckt sei.
Soviel über die Haltung der Arme. Auch gegen die Richtung des Stabes
habe ich etwas einzuwenden. Diese steht ja fest; das untere Ende muß etwa zwei
Spannen weit seitwärts vom linken Fuß die Erde berühren. Ein Stabspringer aber,
der im Begriff ist zu springen, also den Punkt sucht, wo er seinen Stab einzusetzen
hat, sucht diesen vorwärts und nicht seitwärts; sonst würde er, wie man das bei
ungeschickten Leuten oft genug sieht, nicht geradeaus springen, sondern nach rechts
abgelenkt werden.
Der Kopf der Statue ist antik, aber nicht zugehörig. Er müßte übrigens
doch wohl nach unten blicken, wenn die Amazone springen will; wie wollte sie
sonst den Punkt treffen, wo sie den Stab einsetzen muß?
In der ganzen Figur findet Michaelis einen sehr bewegten Charakter. »Hier
ist alles Energie, alles Anspannung für eine bevorstehende Kraftäußerung.« Ich muß
gestehen, der Gipsabguß macht auf mich diesen Eindruck nicht; Herr Dr. Amelung
findet, wie er mir schreibt, mit Energie sei die Art, wie die linke Hand mit lose
spielenden Fingern am Stabe hänge, geradezu unvereinbar, auch in den Beinen liege
nicht das Geringste von angespannter elastischer Kraft.
So ist also der Eindruck, den die Amazone auf verschiedene Beschauer
macht, ganz verschieden. Aber auf diesen Eindruck im allgemeinen lege ich nicht
das entscheidende Gewicht, sondern auf den Nachweis, den ich hoffe gegeben zu
haben, daß die Art, wie diese Amazone hingestellt ist, mit der Technik eines Stab-
sprungs, auch mit der Vorbereitung zu einem solchen unvereinbar ist. Ich komme
also auch hier, wie bei dem Adoranten, zu einem negativen Ergebnis.
Eberswalde. Max Goepel.
 
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