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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 20.1905

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Nr. 4
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Engelmann, Richard: Zu den Phoenissen des Euripides
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https://doi.org/10.11588/diglit.47181#0196
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Engelmann, Zu den Phoenissen des Euripides.

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vom Tempelchen sitzen, sind wohl als Ortsgottheiten gedacht; die rechte, die als
Hauptperson zu gelten hat, dürfte wohl mit einiger Sicherheit als Personifikation
von Theben bezeichnet werden, während man bei der links sitzenden besser auf eine
bestimmte Namengebung verzichtet4.
Eine Schwierigkeit, die hier gegebene Erklärung des Bildes aus den Phoe-
nissen des Euripides als richtig anzuerkennen, liegt natürlich darin, daß die Baulich-
keit, die ja offenbar an die so vielfach dargestellten apulischen Grabdenkmäler
erinnert, als Grabmal des Menoikeus bezeichnet wird, der doch eben erst seinen
Tod findet. Als Grabmal des Menoikeus kann es auch natürlich nicht auf der Vase
gemeint sein; sondern das in Wirklichkeit in Theben beim Neistischen Tore vor-
handene μνήμα des Menoikeus könnte den Anlaß für die Mithineinziehung des
Gebäudes in die Darstellung gegeben haben. Ich denke in folgender Weise: Die
apulische Vase geht meines Erachtens unzweifelhaft auf eine Aufführung der Phoe-
nissen zurück, die dem Vasenmaler erreichbar war; bei der Ausschmückung und
szenischen Einrichtung der unteritalischen Bühne mögen nun bestimmte von Athen
herstammende und an die thebanischen Örtlichkeiten anknüpfende Vorschriften
bestanden haben (daß man in Athen bei der großen Nähe von Theben, das doch
vielen bekannt war, sich mehr oder weniger bei der Herstellung der Bühnendeko-
ration an die Wirklichkeit anschloß, scheint mir für die Zeit des Euripides unbedingt
sicher), die man aber im einzelnen nach dem lokalen Geschmack ummodelnd
ausführte. Man wird also, wenn ein Grabmal darzustellen war, nicht die in Süditalien
unbekannten athenischen oder böotischen Formen von Grabdenkmälern angewandt,
sondern sich an die in Unteritalien üblichen Formen eines kleinen Tempels gehalten
haben. So wäre es möglich, daß bei einer auf das Euripideische Stück zurück-
gehenden Darstellung, bei der man also zunächst athenische Quellen vorauszusetzen
geneigt sein würde, gleichwohl entschieden apulische Formen zutage treten.
Für die Hauptszene, den Zweikampf der beiden Brüder, wäre vielleicht noch
auf die im Perserschutt gefundene, von B. Gräf im Arch. Anz. 1893, 19 erwähnte
rotfigurige Vase zu verweisen, von der mir durch die Freundlichkeit P. Wolters’ eine
Pause vorliegt. Da aber die Vase entschieden älter als die Tragödie ist und ihre
Beziehung auf den thebanischen Mythus nicht allseitig sicher steht (ein bärtiger
Krieger, der sich mit dem Dolche einen Teil seines Haares abschneidet, bietet
B. Gräf den Anlaß, an Menoikeus’ Todesweihe zu denken), scheint es mir richtiger,
hier nicht darauf einzugehen, sondern die in Kürze zu erhoffende Veröffentlichung
der Vase abzuwarten. Auch die allerdings auf Euripides’ Phoinissai zurückgehende,
aber ganz späte und mit der Neapeler Vase keine Übereinstimmung zeigende Dar-
stellung auf einem sog. megarischen Becher (Brit. Mus. Vas. cat. IV G 104 Taf. 16.
Huddilston, Die griech. Trag., übers, von Μ. Hense 204; hier stehen die beiden
Brüder noch im Beginn des Kampfes, sie greifen sich beiderseits mit Eanzen an. Daß

4) Bei Stat. Theb. io, 774 ff. wird die Leiche des
Menoikeus durch die Göttinnen Pietas und Virtus
von den Mauern Thebens auf die Erde nieder-

getragen. Aber diese Personifikationen werden
kaum mit den hier dargestellten Figuren etwas
zu tun haben.
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