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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 20.1905

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Nr. 4
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Kjellberg, Lennart: Klazomenische Tonsarkophage, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.47181#0210
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Kjellberg, Klazomenische Tonsarkophage.

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besser begründeten Anspruch auf die Ehre, diesen Kunststil erzeugt zu haben, erheben
können als Klazomenai. Die Funde lehren aber, daß er nicht das Geheimnis
einer einzelnen Fabrik gewesen ist, sondern daß er in verschiedenen lokalen
Brechungen und Schattierungen überall in den kleinasiatischen Griechenstädten und
auf den vorgelagerten Inseln im achten und siebenten Jahrhundert gepflegt worden
ist70. Es scheint mir unter solchen Umständen weniger angemessen, ihn nach einer
einzelnen Stadt oder Insel, wie Milet oder Rhodos, als Zentrum der betreffenden
Vasenfabrikation, zu benennen. Und übrigens war, wie die hier publizierten Ton-
särge beweisen, diese Dekorationsart nicht auf die Vasen beschränkt. Dem archäo-
logischen Tatbestand mehr entsprechend wäre es also ohne Zweifel, diesem Stil
den allgemeineren Namen »altionisch« zu geben.
Die Sitte, den Toten in einem Tonsarg zu bestatten, können wir jetzt dank
den neuen klazomenischen Denkmälern in Ionien bis nahe an die Epoche des Home-
rischen Epos verfolgen, das nur die Leichenverbrennung kennt. Um feststellen zu
können, ob vielleicht doch in der Homerischen Periode die Leichenverbrennung in
Klazomenai allgemeinerer Brauch gewesen sei oder die Beerdigung auch in früheren
Zeiten die herrschende Sitte gewesen, bedarf es allerdings einer systematischen
Untersuchung der klazomenischen Nekropolen71. Beachtenswert ist es jedenfalls,
daß in der von Boehlau und mir 1902 untersuchten Nekropole von Larisa, die nicht
weit von der Hermosmündung am Klazomenai gegenüberliegenden Ufer des Smyr-
näischen Meerbusens liegt, und die nach den keramischen Funden spätestens dem
siebenten Jahrhundert angehören wird, kein einziger Tonsarg zutage kam. Die Brand-
gräber sind hier in überwiegender Mehrzahl, mit nur spärlichen Beigaben ausgestattet.
Also hier herrscht die Homerische Sitte noch vor. Und am anderen Ufer des Meer-
busens, der doch sicher keine Kulturscheide gewesen ist, begegnet uns in derselben
Zeit ein ganz verschiedener Bestattungsbrauch. Soll man annehmen, daß hier nur
praktische und lokale Rücksichten sich geltend machten: in Larisa ist das Erdreich
an den P'elsenabhängen der Nekropole nicht tief genug für die Bergung der Särge,
oder spielen religiöse und kulturelle Anschauungen mit hinein? Um dies Problem
der so inhaltreichen und weitverzweigten Homerischen Frage seiner Lösung näher
zu bringen, muß man vor allem eine Vermehrung des archäologischen Vergleichs-
materials durch systematische Ausgrabungen der wichtigsten altionischen Nekropole
zu erzielen versuchen.
UnwU Lennart Kjellberg.

70) Von der Krim bis zum Nildelta sind die weiß-
grundigen Gefäße und ihre Scherben öfters ge-
funden worden. In Griechenland und Italien
sind derartige Funde sehr spärlich, eine auf-
fallende Erscheinung, die bei dem allgemein an-
genommenen lebhaften Handelsverkehr zwischen
dem östlichen und dem westlichen Teil der

griechischen Welt in jenen Jahrhunderten schwer
erklärlich ist.
71) Vgl. Helbig, Zu den homerischen Bestattungs-
gebräuchen (Sitzungsber. der bayer. Ak. Philos.-
philol. Kl. 1900, 260); Dragendorff, Thera II
86; Poulsen, Die Dipylongräber und die Dipylon-
vasen 3 f.

Jahrbuch des archäologischen Instituts XX.

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