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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 21.1906

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Prandtl, Antonin: Zur Rekonstruktion des Parthenon-Ostgiebels
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https://doi.org/10.11588/diglit.29676#0044
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Prandtl, Zur Rekonstruktion des Parthenon-Ostgiebels.

herantreten, wollen wir noch kurz das Relief des Madrider Puteais einer genaueren
Betrachtung unterwerfen.
Daß dies Relief nicht Original, sondern nur Kompilation eines sogenannten
Neuattikers ist, darf als ausgemacht und bewiesen gelten. Schon äußerlich bezeichnet
die Unschicklichkeit, mit der die erste Moire links Athenen, der Hauptperson der
Szene, den Rücken kehrt, sozusagen die Naht, durch welche zwei ursprünglich
getrennte Bilderreihen zu einer, freilich erzwungenen Einheit zusammengefügt wurden.
Die andere Naht des Reliefrundes aber ist an der Stelle zu erkennen, wo die Hand
des Prometheus (Hephaistos) so unschön in die Gestalt der letzten Moire rechts
hineingreift. Ebenso scheiden sich in stilistischer Hinsicht die Moiren als ein fremder
Bestandteil von den Figuren der Hauptszene. Während man letztere fast allge-
mein auf Vorbilder des 5. Jahrhunderts glaubte zurückführen zu müssen, folgen
erstere ganz dem Geist des 4. Jahrhunderts und späterer Zeiten: die Brüste kurz
und schmal, die Schenkel lang, die Gürtung hoch, die Haare in der dem 4. Jahr-
hundert eigenen TrachH; auch beachte man bei der mittleren Moire die Rosette, in
welche hier der Mantel an der linken Hüfte gebauscht ist, ein Motiv, das sich
frühestens in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts findetum dann in hellenistischer
Zeit überaus beliebt zu werden. An derselben Moire schließlich ist bezeichnend
für ihre Herkunft die Komposition ihrer Gestalt, die nach unten an Breite und
Masse zunehmend, im oberen Teil hierzu kein Gegengewicht bietet.
Für die übrigen Gestalten des Reliefs aber, für Zeus, Athena und Prometheus
— um von Nike einstweilen abzusehen — hat man ziemlich übereinstimmend nicht
nur den phidiasischen Charakter derselben betont, sondern, bei dem seltenen Vor-
kommen von Darstellungen der Athenageburt in der antiken Plastik, speziell an die
Gruppe des Phidias im östlichen Giebel des Parthenon erinnert. Wenn Athenas
Gürtel, verglichen mit der Varvakeionstatuette, etwas hoch gegen den unteren Rand
des Busens herangerückt isD, so handelt es sich dabei sicher nur um eine ganz
geringe Differenz, die es schwer macht zu entscheiden, ob sie noch im Einklang
mit dem Stil des 5. Jahrhunderts sei oder nicht, und die auf jeden Fall hinreichend
erklärt ist durch das Unvermögen des Künstlers — denn das Madrider Relief ist
eine ziemlich mittelmäßige, flaue Arbeit —vielleicht auch durch ein unbewußtes
Streben, Altüberliefertes dem Geiste einer neueren Zeit anzupassen. Das letztere sei
auch gesagt von dem dichten Haarkranz, der Zeus' Stirne und Schläfen umgibt und
vielleicht mehr aufs vierte denn auf das fünfte Jahrhundert hindeuteU"; vergleicht
man indes unseren Zeus mit dem Zeus des Ostfrieses, so wird man auch hier den
Abstand vom Geist phidiasischer Werke keineswegs so groß finden V
Anders scheint es mit der schwebenden Nike zu stehen: sie trägt so sehr

?) Furtwängler, La Collection Sabouroff, tome I, 9) Petersen, Neue Jahrb.f. Philol. u. Pädagog. 1881,
introd. p. 12. S. 486.
S) z. B. an den Nereiden des Asklepieions zu Epi- 1°) Amelung, Die Basis des Praxiteles aus Mantinea
dauros. 1895, S. 14.
*') VE Furtwängler, Meisterwerke S. 363—365, 376.
 
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