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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 21.1906

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Pernice, Erich: Zwei Vasenbilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.29676#0060
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Pernice, Zwei Vasenbilder.

wurde. Wie weit das Bild schon gediehen war, ergibt vielleicht eine sorgfältige
Untersuchung des Gefäßes. Aber andrerseits scheint mir sicher, daß diese Über-
malung nur des Mittelstückes von vornherein in der Absicht des Malers lag. Wollte
er wirklich die Gruppe wegretouchieren und statt ihrer den gelagerten Silen geben,
so brauchte er nur den 'Altar'
rechts und links weiterzuführen,
statt der beiden laufenden Füße
eine Stufe zu machen, die die
Palmette durchschnitten haben
würde, den Rücken des Silens
nebst Kissen nach rechts zu ver-
schieben, und niemand hätte ge-
merkt, was mit dem Bilde passiert
war. AberTeile der Gruppe sollten
gesehen werden, und darum ließ
er das eine Bein des Silens in
unmöglicher Weise in der Luft
schweben, statt ihm eine Basis zu
geben, und, um den Silen gut
unterbringen zu können und Raum
zu gewinnen, orientierte er die
Gruppe so schräg wie möglich.
Eine solche Darstellung, die uns Modernen solche Interpretationsrätsel aufgibt,
kann auch den Alten nur verständlich gewesen sein, wenn sie auf irgendeine Weise
vorbereitet waren. So wie das Hephaistosbild der Frangoisvase nur mit der Kenntnis
des rekonstruierten Hymnos ganz verstanden werden kann, so müssen wir auch hier
bestimmte, den Alten bekannte und geläufige Vorstellungen voraussetzen. Daß diese
Vorstellungen durch bildliche Überlieferung vermittelt worden seien, ist um so un-
wahrscheinlicher, als sich der Maler zur Wiedergabe seiner Geschichte fremde Typen
geborgt hat — er wollte also etwas ganz Außerordentliches machen. Das Ganze
als bloßen Malerwitz zu erklären geht nicht an, weil es an Analogien dafür
fehlen würde.
Hier komme ich auf das unleugbar Komische des Bildes zurück, das schon
Percy Gardner bei der Behandlung des Bildes aufgefallen war. Dieser komische
Zug und die auffallende Betonung des Silens bestimmen mich, hier nicht eine Quelle
in gebundener dichterischer Form, sondern eine um 530 beliebte szenische Auf-
führung als Anregung für das Bild anzunehmen. In dieser Posse war die Jagd des
Hermes auf den fliehenden Paris der Haupteffekt. An dem Altar, der als solcher
durch die vorgelegte Prothysis doch wohl genügend bezeichnet ist, hat Paris gesessen
und seine Herde gehütet, da naht sich Hermes als Führer der Göttinnen; erschreckt
springt Paris von seinem Sitz und die wilde Jagd beginnt; inzwischen erscheint der
Silen als komische Figur, schwingt sich auf den Altar und bläst in aller Behaglichkeit
 
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