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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 21.1906

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Bulle, Heinrich: Der Leichenwagen Alexanders
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https://doi.org/10.11588/diglit.29676#0063
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Bulle, Der Leichenwagen Alexanders,

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seinem Entwürfe schwere Steinformen gewählt, wie sie dem Architekten unwillkür-
lich nahe lagen. Six fand diesen Aufbau mit Recht zu schwer; und es ist bezeichnend,
daß Niemann gar nicht den Versuch gemacht hat, seinen Bau auf Räder zu setzen.
Es ist dann Wilamowitz'Verdienst, energisch daraufhingewiesen zu haben, daß es
sich gar nicht um einen Tempel, sondern um ein Transportmittel, eine Kutsche,
handelt. Aber will man dazu Analogien aus dem praktischen Leben zu Hülfe rufen,
so darf man nicht den Kremser, den Wagen für Lebende, heranziehen, sondern
höchstens den Möbelwagen, den fahrbaren Kasten, in dem ein kostbares Gut un-
versehrt über weite Wege geführt werden kann.
Bei der Rekonstruktion muß man demgemäß vor allem Holzformen anwenden.
Der antike Schreiner nimmt ja allerdings, wo er reicher verzieren will, seine Motive
aus der Architektur; es braucht nur etwa an die Schmückung archaischer Klinenbeine
mit ionischen Kapitellvoluten erinnert zu werden. Auch Watzingers schöne Publikation
über die griechischen Holzsarkophage bietet Belege. Aber das Charakteristische
in der Verwendung der Architekturmotive für Holzarbeit ist ihre Umsetzung in
leichtere, dem Material entsprechende Verhältnisse. Demgemäß ist bei unserer
Wiederherstellung der Charakter des Holzbaus — Betonung des Rahmengerüstes
unten und oben, gehobelte Profile, unkannelierte, nicht zu dünne Säulen -— mög-
lichst zu treffen versucht worden.
Auch die Gesamtproportionen sind von Wichtigkeit. Petersen hat die Höhe
etwa gleich der Breite und gleich Dreiviertel der Länge genommen; dadurch wird
es ein zu schwerer, zu schwankender Kasten und die Räder wirken meskin. In
unserm Entwurf beträgt die Höhe nicht ganz die Hälfte der Länge, so daß die Längs-
achse stärker wirkt. Dadurch kommt, obwohl wir die Räder höher (etwa I m hoch)
gemacht haben, der Schwerpunkt tiefer zu liegen. Unbefangene, aber kritische Be-
trachter, denen ich den Entwurf vorlegte, erklärten das Ganze für einen Möbelwagen.
Ich sehe darin den willkommenen Beweis, daß wir die für die technische Stabilität
notwendigen Verhältnisse annähernd getroffen haben werden. Denn das ist ja ein
wichtiger Lortschritt unserer heutigen Anschauungen, daß wir nicht mehr meinen,
die Griechen hätten abstrakten Schönheitsbegriffen nachgejagt, sondern daß wir
erkennen, wie sie jede Aufgabe aus den inneren praktischen Notwendigkeiten heraus
in Angriff nahmen. Alles Konstruktive wird geschaffen gemäß den Bedingungen des
Materials und des zu erfüllenden Zweckes — aller Schmuck wächst dann organisch
und wie selbstverständlich aus diesen Grundlagen heraus.
Bei der Besprechung der einzelnen Elemente folgen wir der dem Hieronymos
von Kardia zugeschriebenen Schilderung, die uns Diodor 18, 26 erhalten hat. Die
Beschreibung ist, wie Wilamowitz mit Recht betont, vortrefflich. Es ist kaum irgendwo
ein überflüssiges Wort. Wo sie dunkel erscheint, liegt es an uns, nicht am Autor.
Aber wir werden sehen, daß wir sie bis fast auf den letzten Rest werden ausschöpfen
können. Daraus folgt aber auch, daß wir ihr nichts willkürlich hinzutun dürfen.
Die Aufbahrung. Daß die Leiche in einem anthropoiden Sarkophage lag,
hat Kurt Müller nach Petersens Vorgang unter allgemeiner Zustimmung dargelegt.
 
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