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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 21.1906

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Poulsen, Frederik: Zur Typenbildung in der archaischen Plastik
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https://doi.org/10.11588/diglit.29676#0189
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F. Poulsen, Zur Typenbildung in der archaischen Plastik.

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Aber die erste Stufe ist doch schon überwunden: man vermag deutlicher zu sprechen
und kennzeichnet dann die Männer durch ihre Waffen oder — schon seltener — durch
den Penis die Frauen durch die Brüste, das lange Haar und — auf den jüngeren
Vasen — das lange Kleid V Nur so begreift man es, daß in genau denselben
Situationen, ja auf denselben Vasen die auftretenden Personen bald primitiv-nackt,
bald bekleidet sind, so z. B. in den TanzszenenU Ebenso tanzen die Terrakotta-
frauen aus Olympia nackt, die Frauen der gleichzeitigen kretischen Schilde bekleidet'b
In einer besonders rohen Darstellung liegt sogar der Tote nackt auf der Bahre,
ohne die gewöhnliche Andeutung einer Decke V
Daß die Plastik genau dieselbe Entwicklung durchläuft, läßt sich besonders
an den Kleinbronzen und Terrakotten aus Olympia nachweisen, welche einerseits
sicher nachmykenisch sind, andererseits wegen ihres Fundortes unter dem Heraion
der Frühzeit des griechischen Mittelalters angehören müssen V Die rohesten dieser
Figuren sind nackt und ohne irgendwelche Kriterien zur Erkennung des Geschlechts;
die weitaus größte Masse aber bilden nackte, durch die Geschlechtsteile sehr deutlich
charakterisierte Figuren. Auch aus anderen Ortschaften kennen wir ähnliche Klein-
figuren in großer Menge: Männer mit übertrieben großen Genitalien, Frauen mit
Brüsten oder Rima oder beidem zugleich*". Stilistische Verwandtschaft läßt sich
selbst in solchen Figürchen nachweisen, so z. B. zwischen den fünf Elfenbeinstatuetten
vom Dipylongrabe XIII und einer Bronzefigur von der Akropolis von Athen, welche
alle scheinbar nackt und durch die Brüste als Frauen zu erkennen sind"". Eine der
Elfenbeinhguren hat eine Einsenkung am Leibe, offenbar für einen Gürtel, der dann
entweder aufgemalt oder durch dünnes Metallblech angesetzt war"*. Der Gürtel
führt auf den Gedanken, daß die Bekleidung dann vielleicht bisweilen durch Bemalung
gegeben wurde, und so ist es in der Tat bei den rohen Terrakottafiguren aus
Schiffs Grabe auf TheraV Ich beschreibe sie nach persönlicher Untersuchung:
bei der Figur, welche einen plastisch ausgeführten Gürtel trägt, ist die Farbe
abgeblaßt, aber die beiden anderen bewahren reichliche Farbspuren. Auf der einen
(<%) sind erstens der Gürtel und ein kurzer Schurz, zweitens die Schamhaare um die
Vulva herum aufgemalt, bei der zweiten (<5) hängen von einem breiten Gürtel zwei
d änien herab, so daß auch hier die Rima mit Umgebung sich frei zeigen kann,
und oben gehen vom Gürtel aus zwei Schärpen zwischen den Brüsten wie ein Paar

Nr. 1880, 1883. Phylakopivasen: Exc. at Phyla-
kopi Taf. XIII 16 — iy.
*") Vgl. die älteste Dipylonschale mit Menschen-
darstellung 'E^p.. dpy. 1898 Taf. 5.
13) Perrot et Chipiez VII Fig. 65 f. Waldstein, Argive
Heraeum II Taf. LVII iy.
O Poulsen, Dipylongräber 35 ff. und 102.
13) Vgl. Waldstein, Argive Heraeum II Taf. LVII.
13) Olympia IV Taf. XVI 263. Museo Ital. II Atlas
Taf. IX.
ii) Müller, Nacktheit, Taf. V, 3 und y8f.

13) Furtwängler, Olympia IV 38 und Taf. XV—XVII.
13) Literatur bei Müller, Nacktheit 89. Vgl. Walters,
Catalogue of Bronzes ßy2f. de Ridder, Bronzes
de l'Acropole 240—266. Bull, de corr. hell. XXI
i89y, iy2ff. Fouilles de DelphesV Taf. I—II.
Museo Ital. II Taf. XIV. apy. 1904,
182. Athen. Mitt. XXXI 1906 Taf. XVIII.
2°) de Ridder a. a. O. 294 Fig. 2y9. Perrot-Chipiez
VII Fig. 21—23 und Taf. III.
3i) Perrot Fig. 24.
33) Thera II 306f. Abb. 494 a—c.

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