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Jooss, Birgit
Lebende Bilder: körperliche Nachahmung von Kunstwerken in der Goethezeit — Berlin, 1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.22768#0274
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fenden Zeit aufgespürt und durchgelesen werden - eine Arbeit, die nicht von einem Einzelnen
geleistet werden kann. Die vorliegende Auswahl bleibt somit auch nach ausgiebiger Sichtung
der Quellen gezwungenermaßen lückenhaft.

Für die Untersuchung lebender Bilder steht eine Fülle gedruckten Materials zur Verfü-
gung, so daß nur in seltenen Fällen auf Unpubliziertes zurüchgegriffen werden mußte. In der
Hauptsache wurden die einschlägigen Unterhaltungszeitschriften berücksichtigt, die über ih-
ren reinen Quellenwert hinaus wichtige Aufschlüsse über die zeitgenössische Interpretation
und Rezeption der Werke geben. Die systematische Suche nach Quellen erfolgte in erster
Linie anhand von weit verbreiteten Unterhaltungsblättern, Theater- und Literaturzeitschriften.2

Für Frankreich, wo man die lebenden Bilder zu Anfang in Theaterstücke integrierte, wur-
de die Zeitung »Mercure de France« systematisch von 1760 bis 1791 durchgesehen. Das
gefasste Ziel dieser Zeitung war unter anderem die eingehende Information über alle Theater-
ereignisse des interessierten Besuchers, damit dieser sich ein gerechtes Urteil bilde.3 Für die
Suche bestimmter Quellen wurden die Zeitungen »Affiches, annonces de Paris«, »Chronique
de Paris«, »Courrier des Spectacles«, »Gazette Nationale«, »Gazette de Paris«, »Journal
des Clubs ou Societes patriotiques«, »Journal de Paris«, »Journal Universet«, »Moniteur
universel«, »Le Patriote Francais« oder »Revolution de Paris« hinzugezogen. Aufschluß-
reich waren auch Kompendien, wie beispielsweise Desboulmiers »Histoire du Theätre-Italien«,
das den Vorsatz hatte, alle wichtigen Geschehnisse des Theätre Italien aufzuzeichnen,4 oder
die »Historie du Theätre-Frangais« von Etienne und Martainville. Sie wurden komplett ge-
sichtet. Aber auch die Theaterstücke selbst oder konkrete Anleitungen zum Stellen lebender
Bilder enthalten wichtige Quellen. Die Durchsicht aller Theaterstücke von Charles Simon
Favart brachte keinen Erfolg, im Gegensatz zu der Sichtung seiner Memoiren und Korrespon-
denzen. Beaumarchais bediente sich nur einmal der Idee eines Kunstwerks als Vorbild für ein
Szenenarrangement, wie sich nach Durchsicht aller Regieanweisungen seiner Stücke zeigte.

Für die Zeit zwischen der Französischen Revolution und der öffentlichen Aufführung
lebender Bilder im Jahre 1812 stellte sich die Erfassung der Quellen am schwierigsten dar.
Sie sind in der Regel privater Natur, das heißt als Grundlage dienen Memoiren, Briefe oder
Tagebücher von Personen, die bei entsprechenden Ereignissen anwesend gewesen sein könn-
ten. Die Auswahl konnte hier nicht systematisch erfolgen. Es wurden folgende Werke - mehr
oder weniger erfolgreich - komplett durchgesehen: die »Souvenirs« von Elisabeth Vigee-
Lebrun (1755-1835), die Memoiren von Stephanie Genlis (1746-1825), die »Correspondance
litteraire« von Friedrich-Melchior Grimm (1753-90), die Reisenotizen von Gerhard Anton
von Halem (1790), das »Journal d'emigration« des Grafen von Espinchal (1790), die Tagebuch-
eintragungen von Friedrich Delbrück (1800-1809), die Briefe von Caroline Schlegel (1778-
1809), die Briefe von Johann Friedrich Reichardt (1802-03, 1808-09), die Aufzeichnungen
von Elise von Bernstorff (1789-1835), die Aufzeichnungen von Karoline von der Marwitz

2 Die kunst- und kulturkritischen Journale sind als Instrumente der institutionalisierten Kunstkritik
typische Schöpfungen des 18. Jahrhunderts. Siehe Habermas (1962) 1990. S.104-105. Die Arbeit
stützte sich in erster Linie auf die Untersuchungen zum Zeitungs- und Zeitschriftenwesen
(Verbreitungsgrad, Auflagenhöhe, Beliebtheit, Struktur, Leserkreis) von Kirchner. Aus diesen
Zusammenhängen resultierte die Auswahl der Zeitungen und Zeitschriften. Vgl. Kirchner 1928
und 1969.

3 Vgl. die Ausgabe vom Juni / Juli 1721. Vgl. auch Frenzel 19842. S.174-175.

4 Vgl. Desboulmiers 1769 (Neudruck 1968) Vorsatz vor jedem Band.

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