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Kunstgewerbliche Rundschau: Verkündigungsblatt des Verbandes Deutscher Kunstgewerbevereine — 1.1894

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https://doi.org/10.11588/diglit.8036#0086
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-G- 86 -k-

X

ä Lehnstuhl. Antik Lichenholz.
Lederpolster^ Feders tz.

Rucken und ^ tz^ tederpolster.

Amerikanische Ltühle.

k Lehnstuhl. Sitz und Mbertheil
des Rückens mit keder ge polstert,
in Eichenholz: Doll. 9-75
in Mahagony: Doll. ^2.75
mit Rohrsitz: Doll. 6.

Doll. 5.—

k. Fensterstuhl, zusaninren mit
I ^opha, s Lckstuhl, s gewöhn-
lichen Stuhl, sämmtliche Slücke
im L)olzwerk vergoldet, und mit

Doll. 75.—.

Lür die auf ^eile 3l der „Zeitschrift" abgebildeten Stühle, seien hier die Linzelangaben über deren Ausführung und preise nachgeholt (von links nach rechts gehend): bei s fehlen
die Angaben. — 2. in Eichenholz oder imitirtem Mahagony: Doll. 7.^5, in ächteni Mahagony: Doll. 9 ^O — 3. Lichenholz mit Rohrsitz: Doll. 3.90. — Speisezinrnierstuhl,

Lichen mit Rohrsitz: Doll. 2ch5. — 5. Lichen oder Mahagony-Imit. niit Ledersitz: Doll. 5.65.

bezeichnen. Was würde wohl Bode gesagt haben, wenn ihm solcherlei
in einem deutschen, dazu noch ganz neuen Gasthause l. Ranges passiert
wäre??

Jn unserem Berichte über das amerikanische Runstgewerbe (kseft
3 u. 4 d. Ztschr.) glauben wir, der Leistungsfähigkeit desselben völlig
gerecht geworden zu sein; Bode geht wohl etwas zu weit, wenn er
u. A. sagt: „als allmählich" — in der zweiten ksälste dieses Jahr-
hunderts — „das Bedürfniß künstlerischer Durchbildung sich geltend
machte, war das amerikanische ksandwerk schon nach verschiedener
Richtung im Vollbesitz einer technischen Fertigkeit, wie wir sie in
Deutschland, ganz wenige Zweige ausgenommen, heute noch nicht ent-
ferni erreicht haben". N?enn es statt „technische Fertigkeit" hieße:
„Maschinentechnik", in dem Sinn, daß der Maschine schon damals ein
weitgehender Linfluß auf die formale Gestaltung eingeräumt war, könnte
man diese Aeußerung als zutreffend hinnehmen. Eine allseitige Ueber-
legenheit des amerikanischen „ifandwerks", wie sie von Bode behauptet
wird, oder gar des Aunsthandwerks, würde zur voraussetzung haben,
daß die amerikanischen bfandwerker den anderen überlegen sind. N)enn
das der Fall ist, wie reimt sich dann damit die Thatsache zusammen, daß
noch jctzt euroxäische kandwerkcr in Amerika begchrt sind und gut
bezahlt werden??

!vas die Arncrikaner an wirklichem, eigenem Aunstgewerbe
besitzen, ist sehr klein beisammen: die Arbeiten der beiden Tissany, die
Silbersachen von Gorham, die Rockwood-Faiencen und allensalls die
geschnittenen Gläser. Und selbst wenn man diesen Werkstätten auf
den Grund sieht, so bemerkt man bald, daß bei den Silberarbeiten
Deutsche und Franzosen, bei den Rockwood-Faiencen Jaxaner, bei den
Glasschliffen Böhmen mitgearbeitet haben l Dazu kommt, daß Tiffany
sich aus der Ausstellung sogar mit sremden Federn geschmückt hat: von
russischen Lmails, die er ausgestellt hatte, erklärte der vertreter des
kjauses naiv, dieselbcn seien zwar nicht bei Tiffany gemacht, man werde
derlei Arbeiten aber demnächst auch machen!! lVenn mit ausländischen
Arästen in Amerika bessere Sachen gemacht werden, so beweist das
cben nur, daß sich sür bessere Sachen dort auch die Aäuser finden, nicht
aber, daß das „amerikanische" Aunstgewerbe dem deutschen, bez. euro-
xäischen an Leistungsfähigkeit überlegen ist.

Ls ist nicht zu verkennen, daß der drüben nicht zu beseitigeude
Mangel künstlerischer Ueberlieferungen sür das freie, selbständige
Schaffen ein vorzug ist, indem kein Schulvorurtheil das Aufsuchen
neuer lvege erschwert; wir haben dieß schon bei vorführung der
amerikanischen Beleuchtungskörper für elektrisches Glühlicht (Ag. Rdsch.
No. 5, S. 3?) berührt. Bei europäischen Lrzeugnissen der Gegenwart,
an welchen versucht wurde, die von der Technik gebotenen oder von
modernen Bedürfnissen verlangten Neuheiten <z. B. die elektrischen
Glühlichter) künstlerisch zu bewältigen, kann man ost die Beobachtung
machen, daß der verfertiger von der Frage ausgegangen ist: in welche
srüher ein Nkal entstandene Aunstforrn läßt sich die technische Neuheit
am passendsten einkleiden? — oder, welches alte Nkotiv läßt sich so
ummodeln, daß die xraktischen und technischen Forderungen des neuen
Geräthes damit erfüllt werden? Bei diesem Standxunkte läuft der
Aunsthandwerker Gesahr, nicht nur den Forderungen der Technik

Gewalt anzuthun, sondern auch die Lharakteristik des Gegenstandes
nicht so znm Ausdruck zu bringen, wie es der Fall sein könnte oder
sollte; damit soll nicht bestritten werden, daß ein geschickter Nkeister
auch aus diesem lvege zahlreiche Aufgaben einer glücklichen Lösung
zuführen kann. Aber im Allgemeinen bestreitet Niemand, daß der
umgekehrte lveg, bei Neugestaltungen die sormalen Grundgedanken
auch aus dem lvesen der Neuheiten heraus zu entwickeln der richtigere
ist — ein lveg, den die Amerikaner bei ihrer sxrichwörtlichen Tra-
ditionslosigkeit einzuschlagen gezwungen sind; „gemeinsam ist dem
amerikanischen Aunsthandwerk das Bcstreben, die Form aus dem
Bedürfniß heraus zu finden, sie ganz dem Zweck entsxrechend zu bilden"
— sagt Bode — und es entsxricht dieß den Thatsachcn wenn auch
nicht ohne Linschränkungen, wie wir dies noch näher erörtern werden.
Falsch ist jedenfalls die Behauptung: „lveil die amerikanischen Nlöbel
so xraktisch sind, weil ihre Silberservices, ihre Lisenarbeiten u. s. f.
zweckmäßig sind, darum erscheinen sie uns schön, darum sind sie schön."

lväre diese Behauptnng richtig, so müßten alle, ihren praktischen
Zweck ersüllendcn Dinge „schön" sein; in gewissem Sinn trifft dieß
zu, so lange diese Dinge auch nichts Anderes wollen, als die Lrfüllung
ihres Zweckes. lvie aber, wenn irgend welche Zierrathen zur Aus-
schmückung der Gebilde verwendet werden? Aann nicht die Anbring-
ung eines Grnaments am unrechten Fleck, die mangelhafte oder sonstwie
unbesriedigende Aussührung figürlichen Schmuckes den guten Lindruck
völlig vernichten, den wir von dem nackten, unverzierten Gegenstand
erhalten?? lvir huldigen durchaus nicht der Nleinung, daß das Vrna-
ment neben dem Zweck des Schmückens auch den des Verdeckens von
Ungereimtheiten im Grganismus crsüllen soll oder kann; das Grna-
ment soll kein Aleid sein, wclches die Gebrechen des Bekleideten mit-
leidig verhüllt. Aber nnbestreitbar ist doch, daß ein unxassendes Gewand
die schönste Gestalt „verschandeln" kann; nnd dieser Fall trifft beim
amerikanischen Aunstgewerbe viel häufiger zu, als Bode bemerkt zu
haben scheint. Nlan braucht nur einen Blick in die preiskataloge
großer Nlöbelfabriken rc. zu werfen, um sich davon zu überzeugen, wie
durch ganz unglaublich sinnlose Anwendung und ebenso unglaublich
schülerhafte Ausführung von Grnamenten, die in Aufbau und Grup-
pierung oft recht ansxrechenden Nlöbel verunstaltet werden. Die
Schaukelstühle, welche wir in dieser Nummer unseren Lesern vorführen
und welche dem Geschmack des Durchschnitts-Amerikaners entsprechen,
illustriren deutlich das Gesagte; wir stellen sest, daß diese Beisxiele
noch nicht die unerfreulichsten sind, die uns unter die Augen gekommen
und sind überzeugt, daß auch Bode dieselben nicht sür schön erklären
wird. Nlan muß eben unterscheiden zwischen der Schönheit des Aus-
baues und jener des Schmuckes; die erstere, welche das Produkt aus
Zweckerfüllung und Nlaterial ist, läßt sich allerdings auf sehr vielen
Lrzeugnissen des amerikanischen Aunstgewcrbes wahrnehmen, — so
lange dio letztere sich nicht unangenehm bemerkbar macht.

lvas dagegen die befriedigende Ersüllung des Zweckes betrifft
(die Form „ganz dem Zweck entsprechend zu bilden"), so scheinen die
Nleinungen ziemlich weit auseinanderzugehen. Bode sagt z. B. über
amerikanische Stühle: „Jn keiner andern Zeit und in keinem Lande
hat inan es so verstanden, dem Aörper in jeder Lage die richtige

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