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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1878

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Sepp, ...: Ursprung der Glas-Malerei, [2;3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6904#0018

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18 ~i-

So lautet das achthundertjährige Dokument aus der Feder des Abtes Gozbert an den
Lomes Arnoldus: „Ihr habt unseren Grt mit Werken von solchen Ehren in die Höhe

gebracht, dergleichen weder vorige Zeiten kannten, noch wir je besitzen zu sollen ahnten.
Die Fenster unserer Kirche waren bisher mit alten Tüchern verschlossen. In Euren glück-
lichen Zeiten wirst die goldhaarige Sonne zum ersten Mal durch buntfarbige
Glasgemälde ihren Schimmer auf die Platten unserer Basilika. Diebserzen aller Beschauer
durchzucken tausendfältige Freuden, wenn sie die Mannigfaltigkeit der ungewohnten Kuust-
arbeit anstaunen. Gder wo in aller Welt umher ist eine Stätte mit solchem Schmuck
geziert? Euer Name soll dafür im Gebete bei Tag und Nacht celebrirt werden; und damit
auch die Namen aller Eurer nächsten verwandten zum Gedächtnis verzeichnet werden, wollet sie
auf Pergament eingetragen durch gegenwärtigen Boten uns zukommen lassen, wir stellen noch
Eurer Ueberlegung anheim, jene Jünger zu erproben, ob sie in dieser Arbeit genügend unter-
richtet sind, wie es Euch ehrenvoll, uns nöthig ist, oder wenn ich einen Mangel bei ihnen
entdecke, so sei erlaubt, sie zur besseren Ausbildung Euch zurückzuschicken."*)

Am Schlüsse des zehnten Jahrhunderts, wo das christliche Abendland im Vergleiche
mit der Bildung der Araber in Spanien entsetzlich im Niedergange begriffen war, bildet
dieses Schreiben vom Dezember 999 bie Stiftungsurkunde der neuen Kunst, und
in goldenen Lettern verdienen die Worte an Grt und Stelle zu strahlen:

»Auricomus Sol primus infulsit per discoloria picturarum vitra.«

Erst zwanzig Jahre war es her, seitdem das Stift Tegernsee neu aufgerichtet worden,
und Gozbert dessen zweiter Abt. Der j?rälat spricht seinen ehrfurchtsvollen Dank aus, das;
auf Kosten eines befreundeten Dynasten die bisher mit groben Tüchern verhangenen Kircheu-
fenster zuerst eingeglast, ja noch mehr, „von Zöglingen des Klosters, welche der Graf
zu diesem Zwecke hatte unterrichten lassen, mit bunten Scheiben versehen
seien." **) Die erste Schule für Glas-Malerei war eröffnet. Natürlich bedurfte es einer
längeren Vorübung, bis die Kunstfertigkeit ins Leben treten konnte. Die Zuschrift unseres
Abtes macht den Eindruck, daß Graf Arnold es selber in der neuen Kunst versuchte, und die
Schüler von Tegernsee unterwies. Diese fertigten die Glasgemälde, womit der Edelmann
zu feinem Andenken in der dasigen Münsterkirche sich ein Denkmal stiftete. Gozbert mustert
die übersandten illumiuirten Fenster, traut sich aber das Urtheil zu, so gut wie dem
Spender, ob die Kunstjünger einen weiteren Kurs benöthigten oder in aller Technik aehörig
unterrichtet seien.

„Es hat aber der Graf von Zöglingen des beschenkten Klosters selbst die
Arbeit ausführen, er hat dieselben erst eigens dasür unterrichten lassen: ein Beweis, daß
die Kunst zur Zeit noch eine neue gewesen und überhaupt erst damals aus-
gekommen sei. Schon unter Bering er, Gozbert's Nachfolger, finden wir in Tegernsee
eine Glashütte, die für den Bischof von Freisingen und eine Aebtissin Bestellungen in Fenstern
ausführt. Also in Tegernsee in Bayern die nachweislich früheste Ausübung der
Glasmalerei." So urtheilt der gründliche wackernagel; nicht minder Sighart S.

Fiorillo gibt feine Entscheidung dahin ab:***) „Aus der Beschreibung des Abtes
Gozbert ersieht man, daß die gemalten Glasfenster eine der neuesten Erfindungen waren,
dergleichen man weder von den Alten gehört, noch von der Gegenwart hoffen konnte. Die
Literaturgeschichte von Frankreich hat keine weitere Spur augetroffen, als daß man Anfangs-
buchstaben, manchmal auch Figuren in Handschriften gemalt hat. Le vieil entdeckte ebenfalls
keine älteren Denkmäler unserer Kunst, als die Fensterscheiben zu St. Denis."

*) Vestrae deliberationi dimittimus, illos pueros probandos, si illud opus adhuc ita sint edocti, ut vobis est honorificum
nobisque necessarium; vel si aliquid eis deesse inveniam, liceat eos remittere vobis causa meliorationis. (Pez Thesaurus VI p. 121 squ.)
Die Uebersetzung: „So steht Luch zu, sie zurückzuschicken," erfordert licet

**) wackernagel, Geschichte der deutschen Glas-Malerei. ***) Geschichte der zeichnenden Künste in Deutschland I, J98.
 
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