Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1878

DOI Artikel:
Eröffung unseres Vereinshauses
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6904#0093

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
kauft der Amerikaner nur wieder von dem Amerikaner, zumal Werke des Luxus, auch wenn er sie doppelt so
theuer bezahlen müßte, als ihm der Fremde sie liefert; das können Sie jeden Augenblick in Paris sehen, das
fühlen alle Jene, die mit Amerikanern zu thun haben; ebenso macht es der Engländer, deren Arbeiten im
Vergleich zu uns Preise haben, die uns unerschwinglich scheinen; der Engländer aber ist zu stolz, fremde Maaren
zu kaufen, die man in seiner peimat 'machen kann, und einem Franzosen fällt es überhaupt nicht ein, von
Fremden etwas zu besitzen, da er die französischen Produkte unstreitig für die besten hält. — Wie ganz anders
ist es bei uns: Alles Fremde, besonders was von Paris kommt, wird für besser gehalten als unsere eigene
Arbeit, man kauft und verschafft sich, wenn immer möglich, pariser Waare, unsere Frauen sinden am schönsten,
was von Paris kommt und sind stolz darauf, sagen zu können: das ist direkt aus Paris bezogen, statt sich zu
scheuen und allenfalls zu verheimlichen, wie wenig Rücksicht man auf deutsche Industrie genommen. Der Kauf-
mann rühmt, daß er Alles aus Frankreich und England bezieht und findet dadurch mehr Absatz; der kunst
industriebedürstige reiche Deutsche bezeichnet seine neue Pauseinrichtung mit hohem Selbstgefühl als französische
oder englische Produkte, wenn er sie stolz seinen fremden Gästen zeigt. „Das ist ein pohn auf unsere Industrie,
„das ist ein großes Unglück für Deutschland; machen wir uns Alle es zur Aufgabe, dagegen fort und fort zu
„kämpfen, zu predigen, um von dieser Schande endlich frei zu werden!"

Eine zweite Schwierigkeit, die wir zu bekämpfen haben, ist jene professoren-wcisheit, die unsere Gesetz-
gebung leitet und sich so wenig um unsere Kunst-Industrie bekümmert; man hält uns für groß genug, all'
unsere Grenzen aufmachen zu können; wenn wir fremde Waare billiger erhalten können, so soll hereinkommen
so viel da wolle; unsere Industriellen sollen sich nur beinühen, auch so billig zu arbeiten wie die Fremden; das
Prinzip des Freihandels ist ein so hohes Ideal menschlicher Glückseligkeit, daß es von uns Deutschen zuerst selbst
da durchgeführt werden muß, wo uns die Nachbarn ihre Grenzen verschlossen haben.

Die perren beachten nicht, daß ihre eigenen Kinder in dem Kampf mit den industriell so entwickelten
Nationen zu Grunde gehen müssen, daß Deutschland jetzt schon als Absatzgebiet für fremde Ueberproduktion
gilt, daß wir von dieser erdrückt werden und all' unser Mühen und Streben so hoffnungslos zu Schanden wird.

Ich glaube zwar, daß sich in Berlin allmälig die Anschauungen etwas klären, man erschrickt nicht
mehr vor dem Worte „Schutzzöllner"; im Vorjahre versuchte man im Reichstage Mitglieder zu sammeln, die
nicht für den Freihandel schwärmen, man brachte aber nur zehn Wann zusammen; vor wenigen Wochen wurde
der Versuch erneuert, da kamen \83 Reichstags-Mitglieder, und so gebe ich mich hierin der besten poffnung
hin, man werde endlich zu praktischeren Anschauungen gelangen. Man hat doch immer Theilnahme für den
Schwächeren, wenn sich ein großgewachscncr Bursche init einem Knaben balgt; unserer Kunst-Industrie aber
schenkt man den ausgebildeten Riesen gegenüber nicht einmal das Recht der Reciprocität; gönnt uns doch nur auf
zehn Jahre den deutschen Markt und wir werden uns so kräftigen, daß wir dann die Loncurrenz nicht mehr fürchten!

Wie rasch hat sich Amerika's Industrie durch solche Schutzmaßregeln in den letzten zehn Jahren ent-
wickelt — selbst Fürth und Nürnberg, wo so billig gearbeitet wird, empfinden diese amerikanische Entwicklung
bedeutend. Die Freihändler sagen uns zwar, jeder Schutzzoll unterstütze die Faulheit des deutschen pandwerkers;
solchen Vorwurf müssen wir bekämpfen, wo wir ihm begegnen, durch Wort und That.

Es gibt bei uns noch eine weitere Schwierigkeit, mit der der deutsche Industrielle zu käinpfen hat, von
welcher der Ainerikaner, der Engländer, der Franzose, ja selbst der Russe kaum eine Vorstellung hat. Man
vertraut bei uns dem pandwerk, der Industrie kein Kapital an. Es ist ein ganz wunderliches Schauspiel, zu
sehen, wie rasch unser deutsches Geld flüßig wird, wenn eine Eisenbahn in Ainerika, Rumänien oder selbst in
Indien gebaut wird, oder wenn irgend ein fremdes Volk zum Kriegführen Geld braucht — solche Lumpen
papiere finden bei den Deutschen immer Käufer; wenn aber der tüchtigste pandwerker Geld nöthig hat, seine
Geschicklichkeit, seine Kunst zu größerer Entfaltung zu bringen, da wird er bei uns vergeblich suchen; so werden
unsere besten deutschen Kräfte aus der peimat getrieben, denn das englische, das französische Kapital fühlt sich
immer am sichersten in der industriellen Thätigkeit hervorragender Männer. Dieses unverständige Treiben
unserer Kapitalisten soll und muß endlich in Deutschland auch aufhören.

Endlich haben wir auch noch immer mit einer kaum glaublichen Schwierigkeit zu kämpfen, das ist der
eigcnthümliche Kastengeist, der in Deutschland überall noch herrscht, auch bei dem Künstler wie bei dem pand
werker. Ich weiß nicht, warum unsere Künstler ihren von ihnen so hoch geschätzten, ja angebetetcn Vorbildern,
wie einem Albrecht Dürer, Polbein, Rubens ic., hierin nicht nachahmen und für die Industrie entwerfen,
zeichnen und schöne Formen erfinden, sondern solches Schaffen unter ihrer Künstlerwürde halten; ich möchte
ihnen Allen zurufen: es ist dem größten Künstler eine Ehre, wenn er für Förderung des deutschen pandwerks
wirkt, Jeder, der das Zeug dazu hat, soll auch der Industrie seine Ideen, seine Phantasien nutzbar machen,
wie es die alten Meister der Kunst fast alle gethan. Ansere pandwerker schrecken dagegen nur zu leicht zurück
vor den gebotenen neuen Formen, sie entschuldigen sich nur zu gerne mit dem Einwand, diese Ideale, diese
gezeichneten Kunstgebilde seien ja sehr schön, aber sie seien nicht praktisch, die Ausführung nicht inöglich, jeden-
falls zu theuer rc. Meine perren! Das ist grundfalsch; wenn Sie all' Ihren Gewerbsprodukten den Stempel
 
Annotationen