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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1878

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H 95 -4

Burgkmair, Daniel Bopfer, kjans Bolbeiii d. I., Lucas Lranach,
^ans Baldung-Grün und Geoffroy Tory nennen, und aus der
venetianischen Bfficin des Epoche machenden Augsburger Druckers
Erhärt Ratdolt, wie aus Augsburger, Basler, Kölner, Straß-
burger , Mainzer, Wittenberger und pariser Bfficincn hervor-
gegangcn sind. Diele Zierbuchstaben lassen sich von herrlich
stylisirten Gewächsen umranken oder sie umschließen die Pflanzen
oder theilen sie symmetrisch ab; andere Buchstaben bilden für
sich allein oder mit dem Rechteck, in welches sie hineingezeichnet
sind, förmliche Rahmen für figurenreiche Scenen aus der bibli-
schen und römischen Geschichte und aus der Mythologie. Auch
das großartige Todtentanz-Alphabet von bfans lholbein d. I.
finden wir in dem vorliegenden Werke. Es ist bewunderungs-
würdig, wie Bolbein den Rhythmus der Gliederung, wie er
schon im Skelett liegt, in den mannigfachsten Bewegungen des
Knochenmannes widerklingen läßt, sei es, daß dieser gewaltsam
oder ruhig führend oder kosend, oder mit dem Kinde in der
wiege spielend, die Sterblichen hinwegholt. „Mitten in dem Leben
sind wir vom Tod umfangen," ist hier illustrirt. Kommen wir
zu einem Gegenbild. Die ausgelassenste Lebenslust blickt uns
aus den Kinder-Alphabeten an. Die Deutschen vornehmlich
werden nicht satt, die Initialen als Spiel- und Tummelplätze
geflügelter und ungeflügelter Kinderschaaren anzusehen. Da stehen
wieder unsere beiden größten Meister Albrecht Dürer und ksans
kjolbem d. I. obenan. Mit wie scharfem Blick ist die außer-
ordentliche Bewegnngsmöglichkeit, welche in der Elasticität der
jungen Körperchen liegt, beobachtet und mit welcher Meisterhand
ist sie zu den verschiedensten Situationen ausgebeutet! Es ist
eine wahre Augenweide, alle die Kinder in und an den Buch-
staben und um dieselben herum klettern, marschiren, musiciren,
jagen, kochen, ringen, Dersteckens spielen, turnen, übereinander
hinpurzeln zu sehen. Ein nicht geringerer Phantasiereichthum
als in den Initialen verkörpert sich uns in den Titelumrahm-
ungen. wer sich in die Herrlichkeit der letzteren vertieft, mag
wohl den Eindruck erhalten, dieselben seien die Prachtportale,
welche uns zu den Geistesfesten einladen, die uns der Inhalt
der Bücher verspricht. Die hier uns entgegentretende Pracht
verdankt ihr Dasein einer überschwänglichen Fülle von ver-
zierungsmotivcn, ohne daß jedoch diese Fülle als Ueberfüllung
sich geltend macht, welche den benützten Raum unangenehm
verengert, statt sich ausdehnend erscheinen lassen würde, wir
begegnen hier denselben großen Namen, wie bei den Initialen;
die dargestellten Scenen sind der biblischen Geschichte, der Ge-
schichte der klassischen Völker und der Mythologie entnommen;
auch fehlt es nicht an Allegorien. Es sind eben die Gebiete,
auf welchen sich die Phantasie der in der Renaissance-Epoche
lebenden Generationen mit Vorliebe bewegte. — Der Text, welchen
der Herausgeber beigefügt hat, ist für den Laien sehr instruktiv
und anregend, für den Sammler und wissenschaftlichen Forscher
zweifellos eine Fundgrube werthvoller Nachweise; wir werden
in die Werkstätten geführt, in welchen b'\e junge Buchdrucker-
kunst ihre Erzeugnisse schmückte. Der Preis des Werkes ist
zumal im verhältniß zu dem gebotenen Reichthum anregender
und Genuß bietender Darstellungen und angesichts der brillanten,
in jeder Beziehung mustergiltigen äußeren Ausstattung, ein
sehr billiger. __ L.

Die Fayadc des Laufes „zum Tanz" in Bafel.*) Nach
den vorhandenen Materialien im Aufträge des Basler Museums
gezeichnet von L. <£. von Berlepsch. Die Gothik hat, wie es

*) Zu vorliegender Rekonstruktion, die ich im Aufträge des Bnfeler
Museums machte, dienten mir die nachgenannten Materialien: f) Line

pstotograxbie des im Berliner Ruxferstichkabinet befindlichen fragmentarischen
Driginalentwurfes von Holbein, publizirt in der Zeitschrift: „Dos Aunst-
handwerk" von B. Bücher und A. Gnauth. 2) Line alte, ungemein lücken-
hafte, gänzlich unverstandene p>aufe vom ganzen Griginal, im Baseler Mu-
seum befindlich. 3) Line farbige Copic des Bauerntanzes ebendaselbst. 4) Li»
Bruchstück des Vrigiualentwurfes; Zeichnung in Federmanier mit getuschten
Schatten; in der Ausführung jedoch wurde diese Skizze wesentlich abgeändert,
wie aus dem Berliner Griginal ersichtlich. j?ublizirt in tvoltmann's Hol-
bein, S. 13 \.

scheint, die Ausschmückung von Haiisfa?adeii durch Malerei in
dem Sinne, wie es das vorliegende, der Renaissancezeit unge-
hörige Beispiel zeigt, nicht gekannt, Hat man sich auch, wie
Semper sagt, die Gothik als einen Styl zu denken, bei dessen
Anwendung auf Interieurs die farbige Ausschinückung einen
wesentlichen Thcil der Wirkung hervorbrachte, so ist doch immer
darunter eine andere Art von malerischen Authaten zu ver-
stehen, die sich nie aus der Höhe einer freien künstlerischen Eon-
ception bewegen, einer Eomxosition im eigentlichen Sinne des
Wortes. Die selbstständige Behandlung einer Faxade durch Ma-
lerei ist eine der Renaissance eigene, erst von ihr hervorgebrachte,
und sucht ihre Lösung durch eine wirklich architektonische, or-
ganische Behandlung — nicht etwa wie jene antiken Malereien,
die auch aus architektonischen Elcinenten zusammengesetzt, doch
auf den ersten Blick ihre praktische Unausführbarkeit deutlich
zeigen. — Leider ist von Arbeiten dieser Art diesseits der Alpen
wenig auf unsere Tage gekommen. Der Zahn der Zeit und
rohe Unwissenheit der Menschen haben das Meiste und Beste
zerstört. Die Schweiz muß eine ganz bedeutende Anzahl solcher
Fasaden-Malereien aufznweisen gehabt haben. Einige Beispiele
davon existiren noch heute, so das Baus „zunr Ritter" in Schaff-
hausen, beuialt von Tobias Stimmer, dann eine ganze Reihe
von Häusern in Stein a/Rh., die trotz ihrer sehr handwerklichen
Ausführung dennoch einen viel lebendigeren, vielgestaltigeren
Eindruck Hervorrufen, als unsere modern langweiligen Putz-
Faxaden. Die schönsten Fa^aden-Malereien rührten von Hans
Holbein her, seit dessen Einfluß überhaupt die Renaissance in
der Schweiz einen energischen Aufschwung nahm, vor seiner
Zeit lassen sich daselbst nirgends Werke Nachweisen, die diesem
Styl angehören — und alles Spätere zehrte noch an Holbein'-
schen Erinnerungen und Einflüssen — ich brauche nur die ge-
sammte Glasmalerei in nachholbein'scher Zeit als Beispiel auf-
zuführen. —• Der erste größere dekorative Auftrag, den Hans
Holbein ausführte (sö;7—; 5; 8), war die Beinalung des Her-
tenflein'schen Hauses in Luzern, das in der ursprünglichen Forin
bis in die Zwanziger-Jahre unseres Jahrhunderts erhalten blieb
und dann, ohne selbst wenigstens einer genauen Reproduktion
gewürdigt worden zu sein, abgerissen wurde. Es existirt davon
nur die unzuverläßige Zeichnung eines Dilettanten und ist dar-
aus so viel ersichtlich, daß Holbein mit der Architektur noch nicht
so sicher und frei umsprang, als dies beim Hanse „zum Tanz"
der Fall war. wann Holbein diese letztere Fa^ade malte, ist
ungewiß; sicher ist blos, daß sie nach ;s;8 und vor dem Herbst
\526 entstand, zu welcher Zeit Holbein nach England reiste.
Es ist dies eine Glanzperiode gewesen, denn in diesem Zeitraum
entstanden der große Baseler Todtentanz, die Bilder im Rath»
haussaale, die Madonna des Bürgermeisters Meyer, eine Menge
von Holzschnitten und jene große Suite von Entwürfen zu Glas-
scheiben, die das heutige Baseler Museum zu einer Sammlung
ersten Ranges machen. *) In fast allen Fällen handelte es sich
bei der Bemalung einer Fa^ade darum, die Unregelmäßigkeit
der Fensterstellung durch die auf die Mauerfläche compouirte
ideale Architektur zu verdecken. Die Architektur selbst ist mehr
eine malerische zu nennen, da sie durch den verschieden großen
Raum, der für sie übrig blieb, die verschiedenen Höhen der
Fenster und Stockwerke, von selbst zur Anwendung verschieden-
artiger Formen greifen mußte, im Gegensatz zu den regelmäßig
wiederkehrenden Formen, welche eine schon in der Anlage des
Ganzen überdachte Fa?ade zeigt. So kainen denn all' die Ni-

*) Bereits int \7. Jahrhundert mutz die Arbeit am Hause „zunt Tanz"
eine Uebermalung erhalten haben, wie dies aus einem Kupferstiche jener
Zeit hervorgeht, der die tanzenden Bauern darstellt. Ts sind da nicht mehr
die derben, gedrungenen Figuren, sondern vielmehr zerrissene, lumpige Ge-
stalten im Tharakter Lallot's. Zu welcher Zeit das Ganze übertüncht wurde,
ist unbekannt. Bei baulichen Veränderungen in neuerer Zeit lietz der Besitzer
des Hauses die Mauern ganz genau untersuchen, ob sich vielleicht Spuren
von Malereien fänden, doch blieben die Nachforschungen resultatlos und es
ist also anzunehmen, daß der ganze Mörtelbewurf, auf dem die Malereien
sich befanden, herunter geschlagen worden sei.
 
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