Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1880

DOI Artikel:
Frauberger, Heinrich: Kunstgewerbliche Rundschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7024#0048

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kunstgewerbliche Rundschau.

von Lcinrich Frauberger.

I.

Weltfrieden und Gewerbekrieg — Konkurrenz — Surrogat — Maschine

— Allgemeine Signatur beim Beginne der Achtziger ^Zahre auf kunst-
gewerblichem Gebiete — Stileigenthümlichkeit — Rascher Stilwechsel

— Duldung des Barocks, des Rocoeo — Weihnachts-Ausstellung im
öftere. Museum — Möbel-Ausstellung im Mähr. Gemerbemuseum —
Schülerarbeiten der Runstgewerbeschule Aussichten für die nächste

Rundschau.

In allen Thronreden, die uns das Jahr ^880 bisher
gebracht, wie in allen fürstlichen Trinksprüchen und Gra-
tulationstelegrammen wird Friede konstatirt; während aber
in den Kriegsministerien friedlich Leben herrscht, blüht ein
lebhafter Handels- und Gewerbekrieg; wohin man den
Blick wendet, überall schaut man Parteikämpfe, die um so
widriger sind, weil die kleinen Majoritäten eine rasche Ent-
scheidung erschweren.

hie Schutzzöllner— hie Freihändler. Die einen
begünstigt durch die Regierung, die anderen kräftig durch
Beispiele. Mährend der eine den Kosmopolitismus
auf seine Fahne schreibt und das Jahrhundert segnet, wo
Blitz und Dantpf die Entfernungen und Riesen zu Zwergen
gemacht, die Volker initeinander in Verbindung gebracht,
den lebhaftesten Waarenaustausch erzielt hat, kennt der an-
dere keine bessere Gloriole als den Lokalpatriotismus
und kränkt sich, wenn ein auswärtiges Lehrgenie einem
einheinrischen mittelmäßigen Geist norgezogen wird, wenn
der Konsument nicht blos einheimischen Kohl, sondern auch
fremde Artischoken speist. Kaum hat sich das Kapital in
der Gewerbefreiheit zurechtgefunden und einsehen ge-
lernt, daß nur die Vereinigung von Geschäftsgeist und ge-
werblicher Tüchtigkeit wahren Segen bringt, auf die Dauer-
Kunden erhält, da regt sich eine lebhafte Agitation der
Handwerker, die lieber zum Zunftzwang zurückkehren
wollen, ehe sie die freie Bewegung des Kapitals länger
ertragen. Der Ausspruch, daß sich die Ausstellungen
überlebt haben, findet in gewerblichen Kreisen eine Menge
Nachbeter und doch sind für das Jahr s880 zwölf grö-
ßere Ausstellungen angekündigt. Die leidige Konkur-
renz zerbröckelt die Parteinrasse::, führt zu einem steten Hader,
zu einer ständigen Aufregung, zu einer permanenten Unter-
bietung, zu einer progressiven Gewinnsverminderung — und
doch auch damit auf ästhetischem und technischen: Gebiete
zu einen: steten Fortschreiten; denn nicht blos wer eine Ar-
beit billiger, sondern auch der sie bei gleichen Preisen schöner
und rascher fertigt, bekommt den Auftrag. Ein stetes Iam-
:nern über schlechte Geschäftszeiten zeigt als Kehrseite Be-
stellungen auf Jahre hinaus und eine Wechfelfluth, die,
würde sie nicht als Einzug fetter Jahre aufgefaßt werden
müssen, nur als epidemischer Leichtsinn erklärt werden könnte.

Die Konkurrenz, die Peitsche für den Trägen, die
Wünschelruthe für den Rührigen, ist ein Universalgenie:
auf allen Gebieten rührt sie sich, Konfessionen und Volks-
stämme, Länder und Städte, Geldniärkte und Handelsstraßen,
Gewerbekreise und Wissenschaft, Technik und Stoff werden
von ihr geleitet, sind ihr unterthan. Eine Rührigkeit, ein
Wetteifer zeigt sich überall, macht unsere Zeit so interessant:
Berlin photographirt den nüllionsten Besucher seiner „schönen"

Ausstellung, geschwind n:acht Wien eine gleiche, un: nicht
zurückzubleiben. Sachsen hat :::it der Leipziger Kunst
gewerbeausstellung in weitesten Kreisen Anerkennung ge-
funden, das Bayernland :::acht demnächst eine in Nürnberg,
und so Breslau und so Brünn und so Agram und so
Graz, eine Stadt in diesem, eine andere im kommenden
Jahre, und jede will sie großartiger machen, als die ent-
sprechenden vorhergehenden gewesen. München findet seinen
Hans Mielich, schnell wird in Nürnberg Alles, auch das,
was Virgil Solls gefertigt, den: tüchtigen Iamitzcr zuge-
schrieben, und gleich ist Norddeutschland hinterher und findet
seinen Eisenhoit. Oesterreichs Fachschulen ernten Beifall,
rasch werden sie in Preußen nachgeahmt, nur unterstellt man
seltsamer Weise die gewerblichen Fachschulen den: Mini-
sterium für Medizinalangelegenheiten! Alles, Alles wird
von der Konkurrenz geleitet: das Papier inacht dem Leder,
das Leder den: Nietall, der eiserne Ofen dem thönernen,
das Porzellan den: Holz, das Holz den: Stein, die Photo-
graphie, der Oelfarbendruck den: Geinälde, die Zinkographie,
der Lichtdruck den: Holzschnitt und Kupferstich Konkurrenz
u. s. w.

Die Konkurrenz führte bei den kunstgewerblichen Gegen-
ständen oft zu einer Verschlechterung des Stoffes, zur
schleunigeren Arbeit der t e ch n i s ch e n P r o z e d u r. Die Wirk-
ung der Konkurrenz am Stoffe, an: Materiale läßt sich
durch das bedeutsame Wort Surrogat signalisiren. Shody,
gemischte Gewebe, selbst Jute und die Faser der Urtica
Boehmeria, dann Alpacca, auch Talmigold und andere
Bezeichnungen aus jüngster Zeit dienen als Surrogate, an
denen oft sehr wenig von den: Rohstoff zu finden ist, den
sie zu vertreten haben; so sollen manche Talmigold-Artikel
0H % Gold enthalten. In technischer Beziehung wird die
Maschine bedeutsam, die zu den verschiedensten hantirungen
abgerichtet werden kann, Hand und Gedanken des Arbeiters
aber immer mehr vom Mitwirken am Erzeugen entfremden.
Dagegen hatten Forn: und Zier nichts eingebüßt, viel-
mehr zeigte sich Material und Maschine recht gefügig, die
originellsten und reichsten Lösungen durchzuführen. Ja auf
einzelnen Gebieten zieht gerade die Maschine den Vortheil
aus der Geschmacksbewegung, welcher den: Kleingewerbe
und der Handarbeit zugedacht war, nicht zum Schaden der
Konsumenten.

Stückweises Erzeugen der Handarbeit, Massenproduktion
der Maschine führen da nun wieder Krieg, in welchen: sehr
oft die Phantasie des Individuums durch die Kraft des
Kapitals gedrückt wird.

Aus diesen Bemerkungen, die gar leicht vermehrt werden
könnten, geht hervor, daß der Beginn eines neuen Jahr-
zehnts :nit einer interessanten gewerblichen Bewegung zu-
sammensällt, welche einen: „kunstgewerblichen Rundschauer"
viel Material zur Beobachtung, vielen Anlaß zur Kritik,
viele Ideen zur Anregung gibt. Es geht auch daraus
hervor, daß ebenso farbenreich das Gewebe des modernen
Gewerbelebens, ebenso vielgestaltig und mannigfach die ge-
werbliche und noch :nehr die kunstgewerbliche Produktion
ist. Man wird, ob :::an nun in den Räun:en einer
 
Annotationen