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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1880

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Pecht, Fr.: Das Kunsthandwerk auf den Ausstellungen zu Düsseldorf und Brüssel, [1]
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Das Lunsthandwerk auf den Ausstellungen zu Düsseldorf und Brüssel.

von Fr. pecht.

I.

Herr Redakteur!

Ihrenr Wunsche, den Lesern unserer Zeitschrift meine
Beobachtungen über den Stand des deutschen und belgischen
Runsthandwerks, so wie es sich in Düsseldorf und Brussel
dermal zeigt, mitzutheilen, entspreche ich hiemit. Diesmal
"nt um so größerem Vergnügen, als ein Vergleich beider
Expositionen gar sehr geeignet ist die Richtigkeit, des in
Deutschland seit s876 eingeschlagenen Weges auf's Glänzendste
darzuthun. Besonders zeigt sich in Düsseldorf in wahrhaft
überraschender weise, wie zweckmäßig cs war, uns von der
letzten Pariser Ausstellung zurückzuhalten und so den Pro-
duzenten Zeit zu lassen, jene gewaltigen Lehren sich erst
ruhig zu Nutze zu machen, welche ihnen die Ausstellungen
von Wien s873, ganz besonders aber jene denkwürdige
Münchener gegeben. — Daß sie das redlich gcthan, kann
nian den meisten bezeugen, und das Resultat ist in manchen
Beziehungen ebenso überraschend als erfreulich.

Ohne Zweifel wird beim Betreten der Düsseldorfer
Exposition Jeden schon die • große Ausdehnung der doch
nur aus zwei preußischen Provinzen stammenden Ausstellung
in Erstaunen setzen, da die Blasse des Gebotenen in manchen
Zweigen selbst das in München f876 Vorhandene über-
lvifft. Man kann dies große Wachsthum der Produktion
nur der außerordentlichen Bauthätigkcit 'zuschreiben, die im
Rheinland überall, ganz besonders glänzend aber in Frankfurt
stattfand. Da dort zugleich mit einem Luxus gebaut wurde
und noch wird, wie sonst vielleicht nirgends in Deutschland,
und sich zugleich eine Anzahl ungewöhnlich begabter Architekten
an die Spitze der Bewegung stellte, wir nennen hier nur
die Namen der Herren Burnitz, Mylius und Bluntschli,
Sommer, wallon u. A. m.» wie in Eöln der treffliche
Raschdorff, so wirkte das unmittelbar auf das Aunstgewcrbe,
vor Allem auf die Bautischlerei und Möbelfabrikation zurück,
die denn auch die größten Fortschritte zeigen.

Ebenso ist der Einfluß der Düsseldorfer Malerschule
auf die Ausbildung des koloristischen Geschmacks unverkennbar.
So fällt einem schon vor dein Eintritt in die industrielle
Abtheilung das auffallende Geschick auf, mit dein das ganze
Ausstellungsgebäudc polychromisch behandelt ward, und auch
beim Eintritt ist die außerordeiitliche Hebung des Farben-
sinns, die sich in fast allen Abtheilungen, in der der Ge-
webe, wie der Töpfereien, bei den Edelmetallarbeiten wie

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der glänzendsten von allen, der Möbel-Industrie, das
Ueberrafchendste was sich zunächst kundgibt.

Die rohe Buntheit, die uns früher durch ihre abscheulich
grellen Farbenzusammenstellungen so oft beleidigte, ist fast
überall verschwunden, und tritt höchstens bei Rattun und
wollenen Decken, oder bei den Blumen und Figuren der
Keramik noch gelegentlich auf.

Ebenso findet man bei näherem Zusehen, daß sich das
Stylgefühl auffallend gesteigert; man leitet die Formen-
bildung viel häufiger als früher aus dem Tharakter des
Materials ab, sucht ihm seine spezifischen Reize abzuge-
winnen, statt für Glas und Metall, X70I5 und Stein dieselben
Formen anzuwenden, ja wohl gar die den: einen dieser
Stoffe angepaßten für den andern zu verwenden.

Nicht am wenigsten trägt freilich zu dem stylvollen
Eindruck, den ein großer Theil der Produktion macht, der
Umstand bei, daß die deutsche Renaissance fast ausnahms-
los durchgedrungen erscheint und nur höchstens einmal etwas
mehr an die italienische, oder belgisch-deutsche anklingt.
Rococo, Empire, ja selbst französische Renaissance kommen
kaum in Betracht, Gothik findet inan fast nur noch bei
Airchengeräthen. — Diese Einheit des Styls ohne Ein-
tönigkeit hat wohl als Hauptgrund, daß so viele Produzenten
schon gelernt, sich entweder am Beispiel der Architekten
auszubilden, oder ihre Hilfe unmittelbar in Anspruch zu
nehmen. So kommt es denn, daß sie sich in diesen Formen
frei und graziös bewegen, selbstschöpferisch auftreten, statt
blos zu kopiren. Von dem Dilettantenthum, das bei An-
wendung der deutschen 'Renaissanceformen oft so unan-
genehm auftritt, bald plump und schwerfällig wird, bald
unorganisch die Dekoration derselben nur auf einen gänzlich
nüchternen Kern so aufklebt, sind hier nur wenig Spuren
mehr zu finden.

Indem ich nun zu den einzelnen Produktionen und
zwar zu den Geweben oder den Erzeugnissen der Bekleidungs-
industrie übergehe, muß ich mit dem Bedauern anfangen,
daß inehrere hochbedcutende Gewerbszweige nur dürftig
oder selbst gar nicht vertreten sind. — Ich meine hier
zunächst die so gewaltige Seidenindustrie der Rheinlande und
die nicht weniger bedeutende Hanauer Bijouteriefabrikation,
von denen die letztere gar nicht, die erstere nur durch ein
paar Firmen und Fischbach's schöne Ornamentzeichnungen
für Gewebe vertreten erschienen. — Man bedauerte dies

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