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Zeitschrift des Kunst-Gewerbe-Vereins zu München — 1880

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Friedrich, Carl: Geschichte der Elfenbeinschnitzerei, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7024#0082

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zu geben, daß auch andere Forscher sich dieses Gebietes
bemächtigen und zur allseitigen Kenntniß desselben ihr Theil
beitragen mögen. .

Von diesem Gesichtspunkte aus will die nachfolgende
Abhandlung angesehen und beurtheilt werden. Sie macht
nicht den Anspruch, erschöpfend zu sein — wie wäre das
»ach dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft möglich?
Sie will einstweilen nur die Grundlinien ziehen, innerhalb
deren sich ein späteres Gebäude aufzubauen hat. Schon
das ist ein schwieriges Stück Arbeit, da das zu lichtende
Dunkel sich manchmal bis zur Undurchdringlichkeit verdichtet
und, um nur Eines hervorzuheben, die Urtheile der Fach-
männer über das Alter einzelner Monumente hin und wieder
eine Zeitstrecke von 6—800 Jahren auseinanderstehen. Wenn
daher die Arbeit, die hier in einer Reihe von Folgen der
Oeffentlichkeit unterbreitet wird, nicht an allen Punkten den
Anforderungen, die man stellen zu dürfen glaubt, genügen
sollte, wenn sie im Ganzen den Eindruck eines Unfertigen,
das erst im Werden begriffen ist, machen »rächte, dann darf
sie wohl aus den erläuterten Gründen auf eine nachsich-
tige Beurtheilung hoffen. Das Verdienst aber darf sie be-
anspruchen, daß sie der erste Versuch dieser Art ist, der,
wenn ihr die gehörige Beachtung von berufener Seite zu
Theil wird, allmählig nach allen Beziehungen hin sich ver-
vollständigen soll.

Endlich muß ich hier am Anfänge dem geneigten Leser
noch den leitenden Faden, nrittelst desseri er sich inr Weiteren
zurechtfinden soll, in die pand geben und deshalb bemerken,
daß ich die ganze Anlage der Abhandlung so einrichten
werde, wie eirie gut arrangirte Fachausstellung. Gleichwie
auf dieser der Besucher die Rohmaterialien und Werkzeuge
entlang bis zu den fertigen Produkten nach und nach fort-
schreitet, soll hier der Leser das allgemein Wiffenswerthe
über den Elephanten überhaupt und sein Bekanntwerden
bei den alten Kulturvölkern — natürlich stets mit Rücksicht
auf die Qualität des Elfenbeins, das seine verschiedenen
Arten liefern — sowie die Eigenschaften und die technische
Verarbeitung des in Rede stehenden Stoffes in einem ersten
Abschnitte erfahren; in einem zweiten sodann soll die ge-
schichtliche Entwickelung der Elfenbeinschnitzkunst in ihren
Werken von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart
herab behandelt werden. And nun zur Sache!

* *

*

I.

Wenn im gewöhnlichem Leben von Elfenbein die Rede
ist, so versteht man darunter, ich darf wohl sagen in neun
unter zehn Fällen, die großen Stoßzähne der Elephanten-
männchen. Dieser Sprachgebrauch in der angegebenen Aus-
schließlichkeit trägt nur einem thatsächlichen Verhältnisse Rech-
nung. Denn was sonst noch und im weiteren Sinne als
Elfenbein bezeichnet wird, bildet nicht viel mehr als ein
Zehntel des wirklich auf den Markt gebrachten. Gleich-
wohl aber kann hier nicht Abstand davon genommen
werden, dasselbe wenigstens kurz zu erwähnen.

Einmal und vor Allem gehört dahin das sog. ge-
grabene oder, wie man auch zu sagen pflegt, das blaue
Elfenbein, mit anderen Worten die Stoßzähne der ante-
diluvianischen Elephantenarten, des Mammuths und Ma-
stodons. Diese Riesenthiere einer Jahrtausende hinter uns

liegenden Vorzeit finden sich, wie männiglich bekannt ist, in
wohlerhaltenen Skeletten, manchmal sogar in gut konser-
virten Kadavern zahlreich im Norden Sibiriens. Zähne
derselben liegen außerdem an manchen Plätzen ohne sonstige
Knochenreste, dem Anscheine nach von Menschenhänden zu-
sammengetragen, massenhaft aufgehäuft und bilden wohl
den einzigen nennenswerthen Handelsartikel jener fernen, mit
ewigein Schnee bedeckten Länder. Allein W. Westen da rp
in Hamburg, ein gewiegter Elfenbeinkenner, schlägt den
inneren Werth derselben ziemlich gering an.') Nach seinen
Erfahrungen, und er hat sich Laufe von s6 Zähren durch
ausgedehnte Geschäftsreisen ziemlich viele gesammelt, sind
l-l Proz. dieser Mammuthszähne gut, \7 Proz. noch
brauchbar, 5^ proz. schlecht und sä Proz. ganz schlecht, so
daß also von dem aus Nordsibirien, besonders aus den:
Flußgebiet der Lena importirten Elfenbein blos ungefähr
30 proz. gut und brauchbar zu nennen sind und nur
Neulinge, die sich durch das äußere Ansehen täuschen lassen,
die übrige Quantität kaufen. Unter diesen Umständen
wirft der Mammuth-Elfenbeinhandel kaum die bedeutenden
Transportkosten ab und hat daher seit ^ 872, in welchem
Jahre in London noch \630 Zähne mit einem durch-
schnittlichen Gewichte von 60—75 Kg. versteigert wurden,
stetig abgenommen um so mehr, als die Einsicht von der
Unbrauchbarkeit dieses Materials in immer weitere Kreise
gedrungen ist.

Von diesen Mammuthszähne» sind aber die ebenfalls
häufig als „gegrabenes Elfenbein" bezeichneten Zähne, die
inr Znnern Afrikas partienweise in Pöhlen gefunden werden,
wohl zu unterscheiden. Denn diese letzteren sind wirkliche
Elephantenzähne, die früher einmal von den Sammlern aus
Furcht vor Beraubung seitens eines Feindes in jene sicheren
Verstecke gebracht wurden und die nun, nachdenr die Besitzer
damals im Kampf um ihr Eigenthrnn den Tod gefunden
zu haben scheinen, häufig durch Zufall, manchmal erst nach
Verlauf von Zahrhunderten wieder an den Tag konrmen.

Bildet somit das gegrabene oder blaue Elfenbein nur
einen unbeträchtlichen Prozentsatz der gesammten Elfenbein-
waare, so kommt das sogenannte vegetabilische noch
weniger in Betracht. Unter dieser Bezeichung näiulich ver-
steht man den harten weißen Kern der Elfenbeinnüsse, der
Frucht eines in Südamerika wachsenden Baumes, kll^tele-
phas macrocarpa genannt. Verarbeitet wird diese feste,
elfenbeinartige Substanz zu Stockknöpfen und ähnlichen
kleinen Sachen, da der geringe Umfang des Fruchtkernes, der
etwa einem Taubenei gleichkommt, die Perstellung größerer
Objekte, wie sich von selbst versteht, nicht zuläßt.

Ungefähr das Gleiche gilt von den Zähnen des Wall
roffes und Nilpferdes, die in der Regel eine Länge von
50—^0 Cr», haben und äußerlich ein steinartiges Email
von solcher pärte besitzen, daß es anr Stahle Funken gibt.
Sie enthalten zwar ein vorzügliches Elfenbein, ausgezeichnet
besonders dadurch, daß sein natürliches Weiß nur sehr
schwer einem gelben Ton zu weichen beginnt; allein auch
dieses eignet sich blos zu kleineren Gegenständen, da die
Zähne weit hinein hohl sind, und wird fast ausschließlich
zur Perstellung künstlicher Zähne, zum Belegen von

\) „Vas Gebiet des Llephanten und der Llfenbeinreichthum
Indiens und Afrikas" in den „Mittheilungen der Geographischen Ge-
sellschaft in kjamburg J87S—
 
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