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Dengler, Georg [Editor]
Kirchenschmuck: Sammlung von Vorlagen für kirchliche Stickereien, Holz- & Metallarbeiten & Glasmalereien — N.F. 3.1881

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1. Heft (1881)
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Ueber mittelalterliche Wandmalerei in Tirol
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https://doi.org/10.11588/diglit.26638#0010
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Mgelt, oft blitzesschnell und unversehens; der geschmückte Becher
weist auf die Weltfreuden und deren Reize und lockende
Beispiele hin.

10. Die Erdkugel und darauf ein Körbchen, mit Dorneu
und Disteln gefüllt. — Erkenne die Strafe der Erbsünde,
welche ihre Folgen in Hülle und Fülle über die ganze Welt
hin vertheilt.

11. Eine leere Vase oder die Folgen der Erbsünde, wodurch
der Mensch innxn und außen leer geworden ist, an allen Kräften
des Leibes und der Seele für Zeit und Ewigkeit.

12. ZweiaufrechtstehendeLöweneinen reichbeblätterten
Olivenzweig mit beiden Tatzen festhaltend. — Wer
soll da nicht aN Christus denken und an Simon Jonas Sohn,
die unerschrocken bis auf unsere Tage das Zeichen des Lebens,
des Friedens und Trostes hoch empor halten.

13. Zwei Eichhörnchen zu einander gewendet, jedes
einen Tannenzapfen recht gemüthlich und possier-
lich abspeisend. — Hiermitist das Bild der Zufriedenheitund
Genügsamkeit deutlich ausgedrückt, weit entfernt erscheint Neid
und Mißgunst, welche Tugenden nur im Christenthume zur ent-
schiedenen Wirklichkeit werden.

14. Zwei auf einem fünfblätterigen grünen Laubwerke
ganz aufrecht stehende Reiher, neben ihnen rechts
und links Blumen, in deren Mitte eine dreiblätte-
rige, dunkelblaue Lilie steht und an den Füßen der
Vögel erscheint eine dunkelrothe Schnur mit Gold-
quasten und rothem und blanem Schmucke. — Der
Künstler zeichnete damit ein herrliches Bild des verlorenen, aber
zu Gott zurückgekehrten Sünders. Der Reiher, ein schmutziger
Raubvogel, treibt sich gerne auf stinkenden Aasen herum und
wühlt mit seinem langen, spitzigen Schnabel in Sümpfen und
Morästen, aber durch Gottes Erbarmungen bewogen läßt er
sich mit Fesseln, welche durch das Blut des Herrn gefärbt sind,
ruhig binden; jedoch nicht straff sind diese angezogen, es soll
nämlich kein gezwungener Dienst sein. Bereits mit Schmuck
versehen erscheinen sie, denn die Bekehrung hat Vortheile ein-
getragen, anstatt des schmutzigen Sünderkleides ist er mit Gold-
quasten geziert. Die dreiblätterige Lilie sinnbildet den wahren
Bußgeist für seine drei Lebensläufe: Vergangenheit, Gegenwart
und Zukunft, wofür bereits schöne Blumen zu seinen Seiten
herrlich aufblühen.

15. Eine violette Lilie mit zu beiden Seiten herab-
hängendem Laubwerke und edlen, reifen Früchten,
oder mit Worten: Das Gebet, wie es sein soll, im Geiste und
in der Wahrheit und zwar jenes des reumüthigen Herzens, wie
die violette Farbe der Lilie ausdrückt, welches gewiß schöne,
reife Früchte bringt, wenngleich diese nicht immer anfangs her-
vortreten und dafür eine Zeit lang nur Laubwerk sichtbar wird.

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M. 13. 1881.

Ueber mlttelalterliche Wandmalerei in Tirol.

Eine Fratze mit der Fürstenkrone auf dem Haupte
und in die Haare kostbare Freudenbänder ein-
geflochten; die Arme sind ausgespannt, die Rechte
hält ein Füllhorn mit herrlichen Früchten, die
Linke ebenfalls ein Horn mit prachtvollen Blumen.
— Damit wird der wahrhaft Reiche und Glückliche tresflich
bezeichnet, welcher erkennt Gottes Gaben und dafür dankt,
und nach Gottes Willen seinen schönen Besitz genießen will.
kuuästs iu vomino. Freuden sind erlaubt, an sich nicht

22.

sündhaft.

Zwei Hirsche sich nährend von derFrucht in einer
Schale. — Eines ist das wahre Ziel aller Menschen, wobei
der eine dem anderen verhilflich sein soll, nach dem Schrift-
texte: gusmuämoäuin äsmäsral osrvus ste, — llsus iu guo
omuiu slo. RoäriK, I, p, 270.

Ein geflügelter Löwe von bräunlicher Farbe niit
der Siegesfahne, auf einer schönen, aber leeren
Vase stehend, ein Bild von der Triumphfeier des Christen,
Der Löwe ist schon an sich stark, aber doch dazu noch geflügelt,
um vor jedem Stillstande oder Rückschritte sicherer zu sein, so
der Christ immer neue Gnaden erhaltend im Hinblicke auf den
Sieg, Leer erscheint "ihm die Welt, auf welcher er seinem Ziele
zuwandelt.

Ein großer Storch auf einem Fuße stehen d, über einer
Vase mit Früchten, in seinem Schnabel einen langen
Oelzweig tragend. — Hier zeigt sich ein interessantes Bild
von einer jeden wachsamen christlichen Seele, besonders von
Eltern und Vorgesetzten, um die köstlichsten Güter zu bewahren
und den wahren Frieden mit Gott stets zu besitze», morauf die
Früchte, der Oelzweig und die Schale hindeuten. Der Storch
ist bekanntlich sehr wachsam für seine Jungen; er hieß schon
bei den Römern der fromme Vogel.

Zwei Tauben halten in ihren Schnäbeln eine Frucht-
schnur mit himmelblauen Schleifen, d. h. christliche
Einfachheit, Aufrichtigkeit und Biedersinn, welche nur durch
wahre Früchte des Geistes erreicht werden, wozu Gebet, Zurück-
gezogenheit und Flucht zu zählen sind. — Seid einfältig wie
die Tauben.

Zwei Steinböcke gegen einander sich aufrichtend,
mit starken Hörnern ausgerüstet; sie stehen blos
auf einer Stange, — Die Heimath dieser Thiere sind bekannt-
lich steile Felfen und gelten uns somit als ein Bild des Erden-
pilgers über gefährliche Pfade zum ewigen, hohen Ziele. Jn
ihren Hörnern liegt große Kraft, was an die Schriftstellen er-
innert: oornu sulutis orsxit nobis 8up. 74 und oxultuvit
oornu sjus ksalin 148. — Stürzt so ein Steinbock, so
fällt er in die schauerlichsten Tiefen, sein Standpunkt ist
wie der des Christen immer sehr gefährlich, er steht wie auf

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24,

25.

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einer schmalen Stange, daher soll er seine Gedanken stets
aufwärts richten auf den Berg des Herrn, woher ihm Hilfe
kommt,

Zwei springende Löwen gegen einander gewendet,
jeder nach einer Frucht (Granatapfel) langend,
welche auf einem Zweige aus einem Kelche hervor-
wächft; in dessen Mitte erscheint ebenfalls eine reife
Frucht, — Zweifelsohne ist hier an ein Sinnbild der heiligen
Kommunion und an das Altarssakrament im Tabernakel zu
denken. Nach Liguori (Besuch des Altarssakraments XV) gilt
der schöne Granatapfel als ein Bild der Himmelsspeise, nach
welcher der Christ wie diese Löwen in größter Sehnsucht Ver-
langen zeigen soll, und eine doppelte Frucht kann erlangt werden,
nämlich in der Kommunion und im Besuche des Herrn im
Tabernakel,

Eine Mannesgestalt in blaßgrüner, leichter Kleidung,
mit aufgestülpten Aermeln, eine Schürze um die
Mitte mit fliegenden blauen Bändern, stehend
zwischen zwei emporflackernden Flämmlein; auf
dem einen der ausgespannten Arme hält die Ge-
stalt eine Nachtigall, auf dem anderen einen Gimpel,
und jeder Vogel sitzt auf einem Apfel, — Sehr wahr-
scheinlich haben wir den Künstler selbst vor uns, der sich so
verewigen wollte mit dem Motto: Jch arbeite für den Himmel,
meine Arbeit schwingt sich empor wie die fliegenden Bänder;
die Schürze deutet auf seine ehrlichen Bemühungen für die wahre
Zierde des Gotteshauses, worin ich Dich, meinen Herrn, gleich
diesen berühmten Sängern ewig preisen möchte. Die aufflackern-
den Flänimlein mögen den guten Willen verkünden: meine
Leistungen verdienen des Lobes nicht,

Eine blaue Lilie mit goldenen Quasten geschmückt
oder ein Bild des jungfräulichen Standes, der Tugend unver-
sehrter Reinigkeit, deren hoher Werth bei Gott durch den Gold-
schmuck ausgedrückt wird,

Zwei gefüllte Rosen über zwei Kelche sich hin-
neigend, — Sie deuten wohl auf die ächte Selbst- und
Nächstenliebe, die sich erst in den Leiden in Wahrheit erprobt,
worauf die Kelche hinweisen.

Zwei Geier zu einander gekehrt, zwischen welche
in der Mitte eine mehrfarbige helle Lilie sich er-
hebt, — Wir sehen da ein schönes Sinnbild des Eifers und
der Thätigkeit iiü Gegensatze zur Lauheit und Trägheit, da
dieser Vogel nicht immer im räuberischen Sinne aufzufassen ist,
sondern auch an seinen Eifer zu denken ist, mit welchem er nach
Beute ausgeht, um sein Dasein zu fristen, Auch thut er der
Lilie nichts zu leid, er blickt nur darauf hin, Die Mehrzahl
der Farben an dieser erinnert wahrscheinlich an die verschjedenen
Tugenden, welche zu üben sind.
 
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