Fig. i Römische Landschaft mit Architekturen. Stukko, Rom, Termenmuseum
Über antike und moderne Kunstfreunde
Vortrag gehalten in der Gesellschaft der Wiener Kunstfreunde
Eine der markantesten Erscheinungen des mo-
dernen Lebens bildet das Assoziationswesen. Was
ist die Triebfeder hierbei, woher kommt der zwin-
gende Anstoß dazu? Die nächste Auskunft lautet:
die Interessengemeinschaft. Eine Anzahl von Leuten
entfaltet die gleiche Tätigkeit, folgt den gleichen
Bestrebungen, und man glaubt sich selbst zu nützen,
wenn man das gleiche Ziel mit vereinten Kräften zu
erreichen trachtet. Aber es ist noch eine Zweites
dabei. Diejenigen, die sich zu einem bestimmten
Zwecke vergesellschaften, glauben damit nicht allein
sich selbst, sondern auch der Gesamtheit zu nützen,
indem sie gleichsam in einer Art von Arbeitsteilung
innerhalb der Gesamtheit eine bestimmte Aufgabe
erfüllen. Der nackte Egoismus kann niemals Gesell-
schaftsprinzip sein; es gibt zwar Gesellschaften, die
ihn äußerlich zu vertreten scheinen, aber es muß
ihnen doch eine innere Notwendigkeit innewohnen,
denn sonst wären sie eben unmöglich: die durch sie
überall gefährdete, nirgends geförderte Gesamtheit
würde sie gar nicht aufkommen lassen.
Nun gibt es anscheinend nichts Privateres,
Subjektiveres, Egoistischeres als den Kunstfreund.
Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentral-Kommisjiion 1907.
Namentlich wenn er (was aber heute, wo wir öffentliche
Sammlungen besitzen, nicht notwendig zum Begriff
des Kunstfreundes gehört) zugleich als Sammler auf-
tritt. Er sammelt ausschließlich nach seinem sub-
jektiven Geschmack und ausschließlich für seinen
privaten Genuß. Aus Höflichkeit läßt er allenfalls
einige Freunde gelegentlich daran teilnehmen. Es
gibt zwar auch Kunstfreunde, die ihre Sammlungen
gelegentlich größeren Kreisen des Publikums zugäng-
lich machen, aber diese Kunstfreunde bilden eine Aus-
nahme und diese Gelegenheiten ebenfalls. Zum Wesen
des Kunstfreundes gehört eine solche Öffnung der
privaten Kunstsammlungsräume jedenfalls nicht.
Und nun haben sich auch die Kunstfreunde
assoziiert. Eines Beweises dafür bedarf es nicht,
denn ich könnte sonst nicht die Ehre haben, heute
zu dieser Versammlung zu sprechen. Gewiß sind die
Kunstfreunde durch ihre gemeinsamen Interessen in
diese Gesellschaft zusammengebracht worden; aber
dadurch allein, daß sie sich vergesellschafteten, ver-
künden sie eo ipso, daß sie die Kultur ihrer kunst-
freundlichen Interessen zugleich als eine förder-
liche für die Gesamtkultur ansehen, Dem Kunstfreunde
Beiblatt j *
Über antike und moderne Kunstfreunde
Vortrag gehalten in der Gesellschaft der Wiener Kunstfreunde
Eine der markantesten Erscheinungen des mo-
dernen Lebens bildet das Assoziationswesen. Was
ist die Triebfeder hierbei, woher kommt der zwin-
gende Anstoß dazu? Die nächste Auskunft lautet:
die Interessengemeinschaft. Eine Anzahl von Leuten
entfaltet die gleiche Tätigkeit, folgt den gleichen
Bestrebungen, und man glaubt sich selbst zu nützen,
wenn man das gleiche Ziel mit vereinten Kräften zu
erreichen trachtet. Aber es ist noch eine Zweites
dabei. Diejenigen, die sich zu einem bestimmten
Zwecke vergesellschaften, glauben damit nicht allein
sich selbst, sondern auch der Gesamtheit zu nützen,
indem sie gleichsam in einer Art von Arbeitsteilung
innerhalb der Gesamtheit eine bestimmte Aufgabe
erfüllen. Der nackte Egoismus kann niemals Gesell-
schaftsprinzip sein; es gibt zwar Gesellschaften, die
ihn äußerlich zu vertreten scheinen, aber es muß
ihnen doch eine innere Notwendigkeit innewohnen,
denn sonst wären sie eben unmöglich: die durch sie
überall gefährdete, nirgends geförderte Gesamtheit
würde sie gar nicht aufkommen lassen.
Nun gibt es anscheinend nichts Privateres,
Subjektiveres, Egoistischeres als den Kunstfreund.
Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentral-Kommisjiion 1907.
Namentlich wenn er (was aber heute, wo wir öffentliche
Sammlungen besitzen, nicht notwendig zum Begriff
des Kunstfreundes gehört) zugleich als Sammler auf-
tritt. Er sammelt ausschließlich nach seinem sub-
jektiven Geschmack und ausschließlich für seinen
privaten Genuß. Aus Höflichkeit läßt er allenfalls
einige Freunde gelegentlich daran teilnehmen. Es
gibt zwar auch Kunstfreunde, die ihre Sammlungen
gelegentlich größeren Kreisen des Publikums zugäng-
lich machen, aber diese Kunstfreunde bilden eine Aus-
nahme und diese Gelegenheiten ebenfalls. Zum Wesen
des Kunstfreundes gehört eine solche Öffnung der
privaten Kunstsammlungsräume jedenfalls nicht.
Und nun haben sich auch die Kunstfreunde
assoziiert. Eines Beweises dafür bedarf es nicht,
denn ich könnte sonst nicht die Ehre haben, heute
zu dieser Versammlung zu sprechen. Gewiß sind die
Kunstfreunde durch ihre gemeinsamen Interessen in
diese Gesellschaft zusammengebracht worden; aber
dadurch allein, daß sie sich vergesellschafteten, ver-
künden sie eo ipso, daß sie die Kultur ihrer kunst-
freundlichen Interessen zugleich als eine förder-
liche für die Gesamtkultur ansehen, Dem Kunstfreunde
Beiblatt j *