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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Kunstgeschichtliches Jahrbuch der K[aiserlich-]K[öniglichen] Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale - Beiblatt für Denkmalpflege — 1907

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Heft III-IV
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https://doi.org/10.11588/diglit.18481#0079
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NOTIZEN

Ein Memorandum der „Wiener Bau-
hütte“

Die „Wiener Bauhütte“ hat im Oktober d. J. an
Seine Exzellenz den Herrn Unterrichtsminister ein
Memorandum gerichtet, dessen die Forderungen der
modernen Denkmalpflege behandelnden Teil wir im
folgenden abdrucken. Die seit beinahe einem halben
Jahrhundert bestehende Architektenvereinigung tritt
da mit einem jugendlichen Feuereifer für die moderne
Auffassung des Denkmalschutzes ein, wohl der beste
Beweis dafür, daß diese Auffassang heute nicht nur
ein akademisches Postulat bildet, sondern ein mäch-
tiger Faktor auch im modernen Kunstleben geworden
ist, der uns den alten doktrinären Historismus als
eine längst überwundene Vergangenheit erscheinen
läßt, der aber auch den traditionslosen architektoni-
schen Materialismus durch tatsächliche Kunst und
Kulturkontinuitäten zu ersetzen bestrebt ist. Doch
lassen wir das Memorandum reden:

„Die Architektenvereinigung ,Wiener Bauhütte1
hat in ihrer Sitzung vom 2. d. M. beschlossen, Eurer
Exzellenz für das durch den Erlaß an die Staats-
gewerbeschulen bestätigte warme Interesse für die
Erhaltung der bodenständigen Kunst den ehrfurchts-
vollen Dank auszusprechen und Eure Exzellenz hierzu
ganz ergebenst zu beglückwünschen.

Indem wir im Aufträge unserer Kollegen Eure
Exzellenz hiervon verständigen, sprechen wir die
Überzeugung aus, daß alle künstlerisch Empfindenden
und die gesamte Architektenschaft mit uns eins ist,
in dem Gefühl größter Genugtuung über die Ent-
schiedenheit, mit welcher Euer Exzellenz den in den
letzten Jahrzehnten zutage getretenen Mißständen
entgegenzutreten sich entschlossen haben. Wir knüpfen
an unseren Dank die Bitte, Euere Exzellenz geneigte
Aufmerksamkeit auf einen Fall lenken zu dürfen,
welcher im Sinne des eingangs erwähnten Erlasses
dringender Abhilfe bedarf.

G . . . . , einem der interessantesten, künstlerisch
wichtigsten Punkte Oberösterreichs, droht eine ernste
Gefahr. Die dortige Gemeinde baut neben der be-
rühmten Kirche und dem alten Klostergebäude (heute
Strafanstalt) eine Volksschule in die bis heute glück-

licherweise unberührt gebliebene Umgebung der-
selben. Der Bau der Volksschule wurde aus Anlaß
des Regierungsjubiläums Seiner Majestät beschlossen
und soll naturgemäß eine an diesen hohen Anlaß
erinnernde Benennung erhalten. Das im ersten Stadium
der Ausführung begriffene Projekt ist leider derart,
daß es unbedingt als eine arge Schädigung der Er-
scheinung dieses schönen Punktes von der gesamten
Künstlerschaft und gewiß auch von der ganzen ge-
bildeten Welt empfunden werden muß.

Vieles ist geschehen, um diese Gefahr zu ver-
hüten. Die maßgebenden Stellen wurden gerade noch
zu rechter Zeit von berufener Seite auf die Unzu-
kömmlichkeit aufmerksam gemacht. Die k. k. Bezirks-
hauptmannschaft in Steyr, die lr. k. oberösterr. Statt-
halterei, die Zentralkommission zur Erforschung und
Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale und
auch das hohe k. k. Ministerium für Kultus und Unter-
richt selbst sind in nicht genug dankenswerter Weise
gegen diese Anwendung gemeindeamtlicher Autorität,
die wohl leider wie so oft durch keine Sachkenntnis
getrübt wird, eingeschritten. Bis jetzt ist es aber noch
nicht gelungen, das drohende Unglück von G . • . .
abzuwenden. Wir erlauben uns ehrfurchtsvoll Eurer
Exzellenz diese Angelegenheit dringendst zu unter-
breiten und die Bitte daran zu knüpfen, allen zu
Gebote stehenden Einfluß aufzubieten und diese arge
Schädigung, da Gefahr in Verzug ist, in beschleunigter
Form hintanzuhalten. Welcher Widerstand den Inten-
tionen seitens der Gemeindeverwaltung entgegen-
gebracht wird, wollen Euere Exzellenz aus dem Um-
stande ersehen, daß rechtzeitig von berufener Seite
alle Umänderungspläne kostenlos zur Verfügung ge-
stellt waren, mit der gleichzeitigen Sicherung vor
jeder Kostenüberschreitung. Aber alle Bemühungen
waren erfolglos und scheiterten an der Hartnäckig-
keit und dem Eigensinn einzelner Gemeindefunktio-
näre. Eine ähnliche Art seitens der Künstlerschaft,
fördernd für die heimische Bauweise zu wirken, hat
namentlich in Süddeutschland vorzügliche Früchte
gezeitigt.

Euere Exzellenz! Wir sind davon überzeugt, daß
ähnliche Fälle, wie der von uns erwähnte, Eurer
Exzellenz zu dem erwähnten Erlasse mit die Anregung

u*
 
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