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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Kunstgeschichtliches Jahrbuch der K[aiserlich-]K[öniglichen] Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale - Beiblatt für Denkmalpflege — 1907

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Heft III-IV
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Tietze, Hans: Das Kriegministerium in Wien und der Platz "Am Hof"
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https://doi.org/10.11588/diglit.18481#0060
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H. Tietze Das Kriegsministerium in Wien und der Platz „Am Hof

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Das Kriegsministerium in Wien und der Platz „Am Hof“

Daß eine Stadt in ihrer äußeren Erscheinungs-
form nicht ein zufälliges Konglomerat von Straßen,
Plätzen und Häusergruppen ist, kann heute wohl nur
noch mit dem Vorbehalt eines geflissentlichen Gemein-
platzes ausgesprochen werden; denn ob wir in ihr
den Wesensausdruck bestimmter Rassen, Nationen,
Stämme sehen wollen, ob wir, ihre Entwicklung
nach Beispiel der älteren Soziologie in den mark-
losen Vergleich mit dem Werden und Vergehen der
organischen Wesen zwängend, ihr eine keimende
Kindheit, männliche Vollreife, greisenhaften Verfall
zusprechen wollen, ob wir ihre Gestaltung, auf dem
Standpunkte der marxistischen Geschichtsauffassung
stehend als den künstlerischen Ausdruck bestimmter
wirtschaftlicher Verhältnisse ansehen; unter allen
Umständen erscheint uns das Stadtbild als etwas
allmählich, naturnotwendig Gewordenes, als das
natürliche Ergebnis der gegebenen Bedingungen und
der waltenden Einflüsse und in diesen Eigenschaften
als etwas Einzigartiges und Unersetzliches.

Diese Erkenntnis läßt die Pflege und Erhaltung
des künstlerischen Bildes einer Stadt als eine soziale
Aufgabe erscheinen und etwaige Konflikte bei ihrer
Handhabung sind natürliche Zusammenstöße der
Rechte aller mit dem Rechte einzelner, die endlich
zu einer gesetzlichen Regelung des ganzen Gebietes
führen werden.

Denn der jetzige Zustand, in dem die Rechte
aller nur im trüben Spiegel der sogenannten öffent-
lichen Meinung in Erscheinung treten, muß allen
denen als ein unhaltbarer erscheinen, die nicht die
ethischen und ästhetischen Faktoren, die die wich-
tigsten Grundlagen der Denkmalpflege und aller
ähnlichen Bestrebungen sind, als bloße Sentimentali-
täten aufzufassen geneigt sind, wie das etwa Josef
Kohi.er in einseitiger Vertretung materieller Indi-
vidualrechte vor kurzem tat. Um die Verfechtung
ethischer und ästhetischer Bedürfnisse aber handelt
es sich fast immer, wo es zu Konflikten zwischen
allgemeinen und individuellen Rechten kommt; die
 
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