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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Kunstgeschichtliches Jahrbuch der K[aiserlich-]K[öniglichen] Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale - Beiblatt für Denkmalpflege — 1907

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Heft I
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Dvořák, Max: Die mittelalterlichen Wandmalereien in Muggia Vecchia
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Neuwirth, Josef: Der Entwurf der neuen Bauordnung für die k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien in seinen Beziehungen zur Denkmalpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.18481#0020
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J. Neu WIK TH Der Entwurf der neuen Bauordnung für Wien etc.

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nahe, doch nicht so nahe, daß wir die Ausmalung
der beiden Kirchen als das Werk einer und derselben
Werkstatt betrachten können; es verknüpft sie nur
dieselbe Schultradition. So sehen wir, daß, wie später
regelmäßig, die venezianische Malerei schon in der
ersten Hälfte des Trecento in die östlichen Kolonien
verpflanzt wurde, wo unter ihrem Einfluß, wie später
regelmäßig, eine bis zu einem gewissen Grade selb-

ständige venezianische Provinzialschule entstanden ist.

Der Fortschritt in der Kunst geht in krummen
Bahnen wie große Flüsse und oft kommt er in die
Nähe der Stelle, die er bereits passierte; in der Kunst
der Muranesen scheint der „Baptisteriumstil“ nach-
zuklingen.

Wien Max DvorAk

Der Entwurf der neuen Bauordnung für die k. k. Reichshaupt- und
Residenzstadt Wien in seinen Beziehungen zur Denkmalpflege.1)

Der Entwurf der neuen Bauordnung für die
k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien hat einen
ungemein lebhaften Widerstreit der Meinungen ent-
facht und stand durch längere Zeit im Mittelpunkte
der öffentlichen Diskussion. Die Zentralkommission,
welcher noch vor der Formulierung des Entwurfes
die dankenswerte Gelegenheit zur Vorbringung be-
stimmter, in der Folge auch wirklich berücksichtigter
Wünsche gegeben war, darf denselben als einen
verheißungsvollen Voi boten einer besseren Zukunft
der Denkmalpflege auf dem Wiener Boden begrüßen.
Denn die wichtigsten Bestimmungen zeigen sich von
den modernen Gedanken des Denkmalschutzes ge-
tragen und bezeichnen direkt einen bedeutungsvollen
Wandel grundlegender Anschauungen, der wohl einer
knappen Erörterung des Wesentlichsten würdig ist.

Schon der vom Magistratssekretär Dr. Madjera
verfaßte sehr beachtenswerte Motivenbericht scheut
nicht zurück von der nachdrücklichen Betonung der
immer lebhafter werdenden Notwendigkeit, jene Be-
schränkungen der Unantastbarkeit des Privateigen-
tumes geltend zu machen, die das öffentliche Wohl
verlangt. Denn es läßt sich nicht bestreiten, daß die
Freiverfügbarkeit über den Privatbesitz dort ihre
Grenzen finden muß, wo wichtige Interessen der
Allgemeinheit in Frage kommen, Schädigung des
allgemeinen Wohles oder Behinderung öffentlicher
Interessen zu befürchten ist. Daß in ihrer Sphäre die
Schönheit des Ortsbildes nicht an letzter Stelle steht,
unterliegt gar keinem Zweifel. Natur und Kunst
haben der Kaiserstadt an der Donau den Stempel
eigenartiger Schönheit aufzuprägen verstanden. In
einer großen Anzahl von hervorragenden Bauwerken

l) Teilweise nach einem Vortrage im Wiener Alter-
tumsvereine am 19. April 1907.

aller Kunstepochen spiegeln sich die reiche Ge-
schichte und die künstlerische Vergangenheit Wiens,
das als einstiger Vorort eines der vier Hauptgebiete
der großen, bis tief ins Ungarland hineinreichenden
Hüttenorganisation des Deutschen Reiches eigent-
lich doppelt zum Schutze der besondere Ruhmestitel
der Stadt bildenden Bauschöpfungen aller Zeiten
verpflichtet ist. Der jetzt mit Macht in den Vorder-
grund drängende Gedanke des Heimatschutzes,
welcher beim Volke durch die Berücksichtigung
auch bescheidener Objekte die Wertschätzung des
örtlichen Denkmälerbestandes wecken und die Liebe
zu den noch lebendigen Zeugen heimatlicher Kultur
rege erhalten will, vermittelt die Einbeziehung der
ortsgeschichtlich wichtigen Typen, z. B. des bürger-
lichen Wohnhauses, bestimmter Anordnungseinzel-
heiten und seines bei aller Schlichtheit oft der Um-
gebung glücklich angepaßten, mit ihr verwach-
senen Schmuckes, der alten Straßen- und Platzbilder.
Es bleibt unbestreitbar eine große Auffassung der
Pflicht des Besitzes, wenn die Vertretung einer
Großstadt über dem Bestreben nach möglichster
Verschönerung des Stadtbildes nicht auf das Recht
verzichtet, private Gewinnsucht und den pietätlos
unkünstlerischen Sinn einzelner daran zu hindern,
daß das Aussehen der Stadt nach Willkür verunstaltet,
ihre Denkmale beseitigt oder um ihre Wirkung ge-
bracht werden und daß dadurch die örtliche An-
ziehungskraft auf Fremde eine empfindliche Einbuße
erleide. Weil die architektonische Physiognomie einer
Stadt der augenfälligste Gradmesser des guten Ge-
schmackes und der Pietät ihrer Bewohner ist, zeigt
die Bedachtnahme auf die Erhaltung der Wiener
künstlerisch oder ortsgeschichtlich wertvollen Bau-
denkmale nicht nur verständnisvollstes Erfassen der
modernen Grundsätze der Denkmalpflege, sondern
 
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