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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Kunstgeschichtliches Jahrbuch der K[aiserlich-]K[öniglichen] Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale - Beiblatt für Denkmalpflege — 1907

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Heft III-IV
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Notizen
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https://doi.org/10.11588/diglit.18481#0084
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T47

Notizen

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würde. Wir wollen hier, wo die Fragen mit histori-
scher Objektivität betrachtet werden sollen, nicht
die Gründe oder Gegengründe für diese oder jene
Lösung erörtern, sondern nur die 'allgemeinen Ge-
sichtspunkte hervorheben, auf die sich die verschie-
denen Meinungen zurückführen lassen. Es sind ihrer
drei, von welchen sich zwei insofern zusammenfassen
lassen, als sie die architektonische Schließung und
Ausgestaltung des Platzes als notwendig und wün-
schenswert ansehen:

1. Die Vertreter der ersten Anschauung stehen
auf dem Standpunkte (bewußt oder unbewußt), daß
im Anschlüsse an eine weitausgreifende, grandiose
und ganz moderne Ausgestaltung des großen Platzes
in dem projektierten Museum ein dem Baue des
Fischer von Erlach ebenbürtiges Werk der mo-
dernen Architektur entstehen soll, wobei es dessen
Schöpfer zu überlassen wäre, das Verhältnis zur
Karlskirche in befriedigender Weise zu lösen. Die
Karlskirche soll also nach diesem Gesichtspunkte
in ein ganz neues Stadtbild eingefügt werden, ähn-
lich wie man zuweilen in der barocken Kunst einen
gotischen Teil in einen neuen Prunkbau eingefügt hat.

2. Die Vertreter einer anderen Anschauung
stehen auf dem Standpunkte, daß zwar die archi-
tektonische Umgestaltung und Schließung des Platzes
wünschenswert sei, doch nur derart und zu dem
Zwecke vorgenommen werden dürfe, daß sie eine
Erhöhung der jetzigen Wirkung der Karlskirche
durch die Regulierung der Umgebung zur Folge hätte.

3. Die dritte Anschauung geht dahin, daß vor
allem die jetzige Wirkung der Karlskirche nicht tan-
giert werden darf und eine architektonische Aus-
gestaltung des Karlsplatzes nur dann zulässig wäre,
wenn dadurch diese Wirkung keine Veränderung er-
fahren würde.

Historisch genommen müßte der zweite Ge-
sichtspunkt zuerst genannt werden, denn er ent-
spricht Anschauungen, die am weitesten zurückliegen
und deren allgemeiner Inhalt in der Überzeugung
bestand, daß es die Aufgabe der Denkmalpflege sei,
durch geeignete Umgestaltungen eines Denkmales

oder der Umgebung eines Denkmales dessen Wirkung
zu erhöhen.

An zweiter Stelle wäre dann in der chronologi-
schen Reihenfolge der ideellen Entstehung nach die
erstgenannte Anschauung zu nennen, die auf einer
bestimmten Strömung in der modernen Architektur
beruht und von der Überzeugung ausgeht, daß ein
ganz neuer architektonischer Stil geschaffen werden
kann, wenn man ohne Rücksicht auf die Tradition
neue technische Prämissen zum künstlerischen Aus-
druck des architektonischen Schaffens umwertet. Es ist
eine logische (wenn auch vielleicht unausgesprochene)
Folgerung, daß im Rahmen einer einheitlichen, dieser
ganz neuen Kunst entsprechenden Platzlösung ein
alter Bau nur ein Begleitungsmoment sein könnte.

In der dritten Anschauung berührt sich eine
andere moderne, elementar anwachsende Kunst-
strömung mit neuen Anschauungen der Denkmalpflege.
Diese neueste Richtung in der modernen Architektur,
die von England und Belgien ausgeht und in Deutsch-
land immer mehr Boden gewinnt, beruht auf der Über-
zeugung, daß eine neue Architektur sich wohl von
jedem immitierenden Historismus fernhalten und eine
neue, den modernen technischen Voraussetzungen
und dem modernen formalen Empfinden entsprechende
Bewältigungder architektonischen Probleme anstreben
muß, dabei aber nicht ganz darauf verzichten darf,
was als ein Vermächtnis der alten künstlerischen
Kultur angesehen werden kann und besonders dort,
wo es sich darum handelt, im Rahmen alter künst-
lerischen Kultur Neues zu schaffen, das Neue sich
dem historisch gewordenen Gesamtbilde zu unter-
ordnen hat. Es muß wohl nicht ausgeführt werden,
wie nahe diese Richtung den neuen Anschauungen
der Denkmalpflege steht, die es als eine ihrer Haupt-
aufgaben betrachtet, die überlieferte dokumentarische
Bedeutung der Denkmale für die Geschichte der
künstlerischen Kultur und deren im Laufe der Zeiten
entstandene Wirkung als Quelle modern künstlerischer
Sensationen möglichst unberührt und unverändert
zu erhalten. M. D.
 
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