Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
122

Lpiffel an einen Sommerfrischler.

Mm stillen Wustrow sitzest du, o Freund,

V Wo auch an heißen Tagen Kühlung weht
Vom Meer, und nicht ganz ohne Schadenfreude
Gedenkst du unser, die wir in Berlin
Zurückgeblieben. Boshaft preisest du
Die Herrlichkeiten und die Wunder alle,

Um die in Treptows dicht begrüntem Park
Schweißtriefend jetzt Zehntausende sich drängen,

Und höhnisch rufst du: „Glücklich, wer am Strand
Der Spree sich i» den Strudel stürzen kann!"
Ohnmächtig falle» deiner Bosheit Pfeile
Vor mir zu Bode», Freund. Du weißt, daß ich
An Schaulust wenig leide, und so Hab' ich
— Ein jeder richtige Berliner zeiht
Des Hochverrats mich — denn in voriger Woche
Zum ersten Mal die Allsstellung gcfeh».

Ich habe mich erfreut an manchem Bau,

Der stattlich ragt aus Büsche» und aus Bäumen,
Und bin befriedigt aus dem Jahrmarktstreiben
Am frühen Nachmittage heimgekehrt,

'Als einziger Fahrgast einsam im Coupv.

Nein, Besseres kcnn' ich als die Aiisstelluug,

Wenn mcinc Augen sich erfreuen sollen.

Du weißt, in einer halben Stunde tragen
Die Vorortzüge, mich nach allen Seiten
Aufs Land hinaus, wo nichts mehr von der Nähe
Der Ncichshauplstadt man spürt. Da bin ich denn
An inanchem Tage muntern Schritts gewandert
Am Ufer unsrer blauen Habelseen,

Durch Kiefcriväldcr und durch Roggcnbrcilcn.

Wer aus dem Dorf geboren ist wie ich,

Ist schon zufrieden, wenn er Feld und Wiesen
Und strohgedeckte Dächer darf erschau».

Sv prächtig haben lange nicht geblüht
Die lieben Linden, die sich schaltend stelle»

Um jedes alte Bauernhaus der Mark

Und die am sandigen Wege freundlich oft
Den Wandersmann von Dorf zu Dorf geleite».
Wohl find die Vögel allgemach verstummt,

Die jüngst in ihrem dichten Laubwerk fangen,

Doch fröhlich schmettert »och im Blau die Lerche,
Und hold erklingt der Schwalben helles Zwitschern,
Die dicht am Wandrer oft vorüberstreichen,

Als könnte man sie greife» mit der Hand.

Oft grüß' ich ja von meinem Fenster auch
De» lieben Vogel, der mit frohem Ruf
Der Kindheit hold Gedenken mir erweckt,

Doch recht am Platz ist aus dem Dorf er nur.

So läßt cS in Berlin im Juli auch
Ganz gut sich leben, und in einem Punk!

Sind wir entschieden euch in Wustroiv über.
Verschwiege» hast du in der ersten Zeit,,

Wic'S dort am Strand bestellt ist ums Getränk,
Jetzt aber strömt das lang' vcrhaltnc Weh
In bitter» Klagen aus: nichts gibt cs dort
Als jenes Uubicr, daS erbarmungslos
Im alten Rostock böse Menschen brauen.

Nichts schreibst du mir davon, allein ich weiß,

Daß manchmal wieder Abends du beim Grog
Im Kreis der alten Kapitäne sipcst,

Beim heißen Grog, ein gräßlicher Gedanke,

Obgleich ich niemals -Temperenzler war!

Hier aber hat man »ach des Tages Hitze
Stets sicher sein crguickcndes Getränk.

Sich her, ich sitze hier im Spatcnbräu,

Und vor mir steht daS frisch gefüllte Glas.

Wie fette Sahne deckt der dichte Schaum
Das kühle Naß — doch nein, ich ivill das Herz
Nicht weiter schwer dir machen: ich ergreife
Das GlaS und winke, nicht von Schadcusrcndc
Ganz jrci, nach Wustrow einen Gruß hinüber.

Aus Liechtenstein.

Der Fürst von Licchlcustcin hat nach zwanzigjähriger Abwesenheit
sein Land besucht. Natürlich war bei den Unterthancn die Freude groß,
und auf allen Straßen der Hauptstadt Vaduz Hörle man folgendes Lied
singen:

Ihr Kinder, kommt mal all heran,

ES ist nicht mehr als Pflicht,

Und seht den Landesvater an
Und merkt euch sein Gesicht.

Schier zwanzig Jahre, daß ihr's wißt,

War fort er und verreist.

Vielleicht, wenn er bei Laune ist,

Sagt er euch, wie er heißt.

Ach, heut Nachmittag schon um drei
Fährt er zurück nach Wien,

' Doch ist ein großer Trost dabei:

Es geht auch ohne ihn.

Da kvniml er: Kinder, jubelt laut
Und jauchzt! Ich bitt' euch, lhut's!

Der Landesherr ist's, den ihr schaut,

Der Herrscher von Vaduz.

Nun schwört dem edlen Fürstenblut
Treu' bis zum letzten Hauch.

Sein Fcrnsci», das bekommt ihm gut
Und uns, versteht sich, auch.

Die „Köln. Bolkszeitung" ist ganz aus dem Häuschen darüber, daß
Professor Oncken aus Gießen nach Wilhelmshöye berufen ist, um vor den
kaiserlichen Prinzen geschichtliche Vorträge zu Hallen.

Wir können cs ihr nicht verdenken. Oncken gewählt, und Majunkc
übergangen!

Der lobcnswerthe amerikanische Brauch, den Pferden zum Schutz gegen
die Sonnenstrahlen Strohhüte auszusctzen, sindel jetzt auch bei uns Eingang.
Dadurch erfährt die Pserde-Garderobc, die bei besser gestellten Thieren schon
jetzt aus einer nicht unbedeutenden Anzahl von Stücken besteht, eine will-
kommene Ergänzung. Künftig wird ein Pferd, das vollständig Toilette
gemacht hat, einen ebenso interesiantcn wie erfreulichen Anblick gewähren,
wenn auch von dem Thiere selbst nicht viel mehr zu sehen ist.
 
Annotationen