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130 III. Der Klassizismus in seinem Verhalten zu den Kulturaufgaben

Erst dem Architekten James Gibbs (1682—1754) war es gegeben, in
der in den Jahren 1737—47 ausgeführten Radcliffe-Bibliothek zu Oxford diese
Idee architektonisch zu verwirklichen (Ahb. 133). Die Rotunde steht auf einem
gleichfalls kreisrunden rustizierten Sockel mit abwechselnd überdachten und
glatten Toren und Nischen. Sie wird umfaßt von 16 Paar gekuppelten
korinthischen glatten Säulen, zwischen denen wiederum abwechselnd Nischen

und Fenster sitzen und
zwar je in quadratischer
Form unten und hoch recht-
eckiger darüber. Die Über-
dachung der Fenster ist ein
Giebel, die Nischen haben
oben runde Umrahmung.
Über den Säulen läuft ein
Hauptsims herum mit einer
Balusterattika mit Urnen-
verzierung. Der Hauptsims
ist nirgends verkröpft, und
gibt dadurch dem Gebäude
einen klassizistischen Gha-
rakter. Diesem aber wider-
spricht die Bekrönung des
Baues selbst durch die acht
barocken Anschwünge, die
von der Rotunde nach der
Kuppel führen. Dadurch
wird zugleich der Tambour,
der an und für sich schon
sehr durch den Hauptsims
der Rotunde überschnitten
wird, gänzlich verdeckt, und
die Wirkung, die groß be-
gonnen, endet leider in
Unverständnis und Wider-
spruch, läßt wohl auch
erkennen, daß Gibbs die
Architektur nicht in sich
selbst hatte entstehen las-
sen, sondern sie, wie Blomfield x) behauptet, einem Entwurfe Ghristopher Wrens
für das Mausoleum Karls I. entnommen hatte. * 2) Auch im Innern herrscht
großes Mißverhältnis der Formen.

f) Verkehrsbau (Börsen, Banken, Hallen, Zoll- und Lag-erhäuser, Bahnhöfe)

Die Großzügigkeit der klassizistischen Architektur fand ein weiteres frucht-
bares Feld auf dem Gebiete von Handel undWandel an derWende zum 19. Jahr-
hundert. Die Forderung eines mächtig-großen Saales als Haupthedingung im Bau-

B Vgl. Blomfield, A short history pp.

2) Der wahrscheinlich dnrch San Pietro in Montorio in Rom beeinssußt gewesen
sein mag.

&

Abb. 133 Radcliffe-Biblxothek in Oxford
 
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