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Knackfuß, Hermann; Rubens, Peter Paul [Ill.]
Rubens — Künstler-Monographien, Band 2: Bielefeld, Leipzig: Verlag von Velhagen & Klasing, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.60845#0070
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gedämpfte Helligkeiten leuchten in der Umgebung auf, und so wird all das Leben durch
eine großartige Ruhe zusammengehalten. Das Gemälde wurde nach alter Sitte durch
Flügel verschließbar gemacht. Die Flügel sind innen und außen mit Bildern aus der
Geschichte der beiden Namensheiligen der Kirche, Johannes des Täufers und Johannes
des Evangelisten, geschmückt. Das ganze Altarwerk befindet sich noch an seinem Platz;
die Gemeinde hatte den Stolz, dem Kardinal Richelieu, der 10000 Gulden für die
Flügel bot, mit einem entschiedenen Nein zu antworten. — Eine ganz andersartige
Schöpfung ist das zweite für Mecheln gemalte Altarwerk, das sich ebenfalls noch auf
seinem Platze, in einer Chorkapelle der Liebfrauenkirche jenseits der Dyle, befindet. Es
wurde 1618 im Auftrage der Bruderschaft der Fischer gemalt. Das Mittelbild stellt den
wunderbaren Fischzug des Petrus dar. Kräftige Männer, zum Teil halbnackt, ziehen das
von glitzernden Fischen gefüllte Netz zwischen Kahn und Strand herauf. Die Gestalten
der auf den Ruderbänken stehenden Schiffer, die den Kahn an das Land heranstaken,
heben sich hochragend von dem schweren, dunkelblaugrauen Gewölk ab, hellbeleuchtet wie die
weiße Möwe über ihren Köpfen. Über dem dunklen Meereshorizont liegt ein Streifen
gelblicher Klarheit, und diese Helligkeit steigert die kräftige Umrißwirkring des groß und
ruhig im Vorderteil des Schiffleins stehenden Christus und hebt den bewegt vor ihm
niederkuienden Petrus hervor. In die mächtige Wirkung von Hell und Dunkel in vor-
herrschend grauen Tönen, aus denen der gelbe Lichtstreifen und die entblößten Männer-
rücken herausleuchten, bringt ein einzelner roter Rock einen scharfen Farbenklang. Das
Ganze hat eine gewaltige Stimmung von Ruhe im Sturm, — es ist so recht ein Bild
für Leute, die ihr Beruf zum Kampf mit dem Sturm führt. Auf dem einen der
Flügelgemälde setzt sich die Meeresstimmung fort. Auch hier dunkles Gewölk, vor dem
die Möwen einherstreichen; aus dem muschelbedeckten Strand zieht Petrus vor den Augen
anderer wettergebräunter Jünger den Zinsgroschen aus dem Maul des Fisches. Die glaub-
würdigen Erscheinungen seegewohnter Männer, die uns hier entgegentreten, erläutern den
Hinweis aus nach dem Leben gemalte Fischer, den das von Rubens an Carleton gesandte
Bilderverzeichnis enthält. Auf dem andern Flügelgemälde, das ebenso wie das besprochene
mit wunderbarem Geschick in die hohe, schmale Bildfläche hineinkomponiert ist, zieht der
junge Tobias auf Geheiß des Engels den heilkräftigen Fisch aus dem Wasser. Die hohe
Vollkommenheit der künstlerischen Wirkung, mit der das Altarbild der Mechelner Fischer-
gilde den ganzen Raum beherrscht, hat es einer Überarbeitung zu verdanken, die Rubens
nach der Ausstellung an Ort und Stelle, im Hinblick auf die dortigen Raum- und
Beleitchtungsverhältnisse, vornahm, nachdem er — wie man erzählte — nur zehn
Arbeitstage in seiner Werkstatt darauf verwandt hatte (Abb. 60).
Als Rubens mit dem englischen Gesandten im Haag wegen des Umtausches von
dessen Antiken gegen seine Gemälde verhandelte, erwähnte er im Anschluß an den von
Carleton geäußerten Wunsch, daß der Wertunterschied durch den Ankauf von Brüsseler
Wandteppichen ausgeglichen werden möchte, beiläufig auch den Umstand, daß er selbst
im Auftrage einiger Edelleute aus Genua sehr reiche Entwürfe für Teppiche angefertigt
habe, die gerade in Brüssel gewirkt würden. In einen: vierzehn Tage später an Carleton
geschriebenen Briefe kommt Rubens nochmals auf diese Entwürfe zurück, und da erfahren
wir, daß sie die Geschichte des Decius Mus, des römischen Konsuls, der sich selbst für den
Sieg seines Volkes opferte, behandelten. Die hier erwähnten, Anfang Mai 1618 bereits
an die Weberei abgelieferten Entwürfe zu Wandteppichen haben sich erhalten, und zwar
nicht in der für diesen Zweck gebräuchlichen Gestalt von farbig angelegten Zeichnungen
— Kartons —, sondern als ganz prachtvoll ausgeführte Ölgemälde (in der Liechtenstein-
Galerie zu Wien). Dem Teppichwirker hat der Meister die Arbeit dadurch erleichtert, daß
er die Bilder links gemalt hat, d. h. so, daß die Personen zum Beispiel die Waffen mit
der linken Hand führen, den Schild am rechten Arm tragen. Denn derjenige, der einen
Bildteppich wirkt, steht am aufrechten Webstuhl hinter seiner Arbeit, auf deren Rückseite
er die Fäden verknüpft; was er unter seinen Händen werden sieht, verhält sich also
zu der Vorderseite wie deren Spiegelbild. Wenn er daher ein, wie gewöhnlich, im
richtigen Sinne gezeichnetes Vorbild so, wie er es vor sich hat, nachwebt, zeigt sich das
 
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