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Knackfuß, Hermann; Rubens, Peter Paul [Ill.]
Rubens — Künstler-Monographien, Band 2: Bielefeld, Leipzig: Verlag von Velhagen & Klasing, 1922

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https://doi.org/10.11588/diglit.60845#0148
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der Mehrzahl nach in kühn ersonnenen Allegorien; sie fanden zu ihrer Zeit außer-
ordentlichen Beifall. Einige von den ersten Skizzen, zum Teil sehr prächtige Werke, wie
mit Licht gemalt, sind im Prado-Museum; von den in überlebensgroßem Maßstab, unter
Mitarbeit von Schülern, gemalten Vorlagen für die Teppichwirker sind zwei, auf dem
Umwege über Spanien, in das Louvre-Museum gekommen. Jetzt bestellte die Erzherzogin
bei Rubens ein großes Gemälde zum Schmuck eines Altars in der Hofkirche St. Jakob
„auf dem Kaltenberg" zu Brüssel. Dieser Altar gehörte einer von dem verstorbenen
Erzherzog Albrecht gestisteten Bruderschaft, die sich nach dem heiligen Ildefons nannte;
auch Rubens war Mitglied der Bruderschaft. Der Me st.w gab dem Gemälde die G> statt
eines Flügelaltars (Abb. 109). Auf dem Mittelbild stellte er das Wunder des heiligen
Ildefons dar, über das die Legende folgendes berichtet: Ildefons, Erzbischof von Toledo
im siebenten Jahrhundert, verteidigte mit großmr Eifer die Lehre von der vollkommenen
Reinheit der heiligen Maria gegen einige Leugner dieses Geheimnisses: dafür ward ihm
die Gnade zuteil, daß die Himmelskönigin in sichtbarer Gestalt in seine Kathedrale
herniederstieg und ihm ein in: Himmel gewirktes Meßgewand überreichte. Wir sehen den
Erzbischof niedergesunken vor einem die Mitte des Bildes einnehmenden Thron, von dem
aus Maria ihm mit milder Freundlichkeit das wunderbare Gewand darreicht; heilige
Jungfrauen stehen als himmlischer Hofstaat der Gottesmutter Zu beiden Seiten, und
über dem Thron flattern in einem Meer von Licht jubelnde Kinderengel. Auf den
Flügelbildern sind die Stifter dargestellt, der Erzherzog und seine Gemahlin; in reiche
fürstliche Gewänder gekleidet, knien sie da, und nehmen als andächtige Zuschauer an dem
Wunder teil; ihre Namensheiligen stehen ihnen zur Seite, bei dem Erzherzog Albrecht
der heilige Albertus in Kardinalstracht, bei der Erzherzogin Klara Eugenia Isabella
(Elisabeth) die heilige Elisabeth von Thüringen in der Tracht der Klarissen. In dem
ganzen Werk hat Rubens eine Vereinigung von zauberhafter Helldunkelwirkung mit
glühender Farbenpracht erreicht, die er weder vorher noch nachher übertroffen hat. Auf
die Außenseiten der Flügel malte er eine bei der Schließung sich zußmrmenfügcnde ein-
heitliche Darstellung: die heilige Familie mit der Familie der biblischen Elisabeth, eine
entzückende Schöpfung im Sinne jener lieblichen Bildergedichte, wie sie neben anderen
Meistern der Renaissance auch Tizian gern ersann; die Hauptfiguren sind die Kinder
Jesus und Johannes, dem kleinen Jesus werden Äpfel dargereicht, und in den aus-
gebreiteten Zweigen des Baumes, der die Früchte gespendet hat, wiegen sich kleine
Engel. Der prächtige Gemäldeschmuck des Jldesons-Altars ist im Anfang des Jahres
1632 ausgestellt worden, die Überlieferung, wonach Rubens dieses Werk gleich nach seiner
Heimkehr aus Italien geschaffen hätte, beruht auf einem Irrtum. Die Jldesons-Bruder-
schast ging 1657 ein, und die Gemälde kamen in den Besitz der Augustinermönche vom
Kaltenberg. Bei einer Veränderung der Ausstellung wurden die Holztafeln der Flügel
gespalten, um die „Heilige Familie unter dem Apfelbaum" als ein selbständiges Bild zusammcn-
zusügen. Im Jahre 1743 brannte die Kirche ab, und der Abt beschloß die geretteten
Bilder zu veräußern, um aus dem Erlös den Neubau der Kirche zu bestreiten. Die
Kaiserin Maria Theresia ließ sie 1776 durch ihren Gesandten Fürst Starhemberg für
40000 Gulden aukaufen; so kam das Werk nach Wien, wo es jetzt den Glanzpunkt der
Rubenssammlung im Kunsthistorischen Hofmuseum bildet.
Neben den großen Arbeiten gingen die kleineren. Die Kunstfreunde drängten sich,
Gemälde von Rubens zu besitzen, und er, der in seiner Jugend manchen Besteller ab-
gewiesen haben soll, bloß weil er an dessen Kunstverständnis zweifelte, war mit der Zeit
ein so kühler Geschäftsmann geworden, daß er keinen Auftrag ausschlug; aus Briefen
seines Freundes Balthasar Moretus wissen wir, daß er ganz nüchtern und praktisch die
Bildgröße und die Figurenzahl nach dem Betrage bemaß, den der Besteller anlegen
wollte. Und er war in der Lage, alles zu bewältigen. Seine Arbeitsfähigkeit nahm nicht
ab. Im Gegenteil; ein junges Glück verjüngte die Schaffenslust und Schaffenskraft des
Künstlers.
Während seiner Abwesenheit von der Heimat, unter den wechselreichen Eindrücken
fremder Länder, in der Unruhe der diplomatischen Tätigkeit und unter den vielfachen
 
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